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Die Gegenpäpstin

Titel: Die Gegenpäpstin
Autoren: Aufbau
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Studienzeit hatte sie ihn uneingeschränkt bewundert. Er zählte weltweit
     zu den führenden Archäologen im Bereich biblischer Archäologie und entsprach darüber hinaus dem Bild, das man sich landläufig
     von einem Frauenheld machte. Groß und athletisch, das dunkle Haar graumeliert, sah er einfach umwerfend aus, obwohl er mit
     Ende Vierzig knapp zwanzig Jahre älter war als Sarah. Menschlich hielt er allerdings nicht das, was sie sich nach ihrem ersten
     Zusammentreffen von ihm versprochen hatte. Kurz vor ihrem Studienabschluß hatte sie den Gott der sprechenden Steine, wie manche
     Kommilitonen Bergman nannten, spätabends in einer Soldatenspelunke in Tel Aviv getroffen. Ein früherer Armeekamerad |11| hatte sie dorthin geschleppt, um ihr Wiedersehen zu feiern. Zwischen Söldnern, Huren und dem militärischen Personal diverser
     diplomatischer Vertretungen drängte sich plötzlich Yitzhak Bergman an die Theke. Seine Brauen hoben sich unerwartet hoffnungsvoll,
     als er Sarah erblickte. Überaus heftig zog er sie zu sich heran. Sein unvermittelter Kuß auf ihre Wange verriet, daß er schon
     jede Menge Gin getrunken haben mußte. Ein wenig schwankend begann er über seine unglückliche Ehe zu reden und darüber, daß
     er bereits vor Wochen zu Hause ausgezogen sei. Seine Frau habe etwas mit ihrem Tanzlehrer angefangen, und nun müsse er auf
     dem Campus wohnen, obwohl er im Norden Tel Avivs eine schöne Villa besitze.
    Vielleicht geschah es aus Mitleid, vielleicht ein wenig aus Berechnung, daß Sarah an diesem Abend beschloß, ihn mit zu sich
     zu nehmen.
    Zu spät wurde ihr allerdings bewußt, daß es sich bei Zak, wie sie ihn seit jener Nacht nennen durfte, um einen Lügner der
     Sonderklasse handelte. Während er sich mit Sarah vergnügte, versöhnte er sich hinter ihrem Rücken mit seiner Ehefrau. Vielleicht
     war er zu feige, zu bequem oder zu lüstern, seiner jugendlichen Gespielin – anders konnte Sarah sich im nachhinein nicht nennen
     – diesen Umstand zu gestehen. Nachdem sie sich von ihm getrennt hatte, war Bergman, ganz der wilde Liebhaber, in ihr Apartment
     eingedrungen und hatte gedroht, daß Sarah eine Karriere an der Universität nun vergessen könne, doch nicht einmal diese Drohung
     hatte er wahrgemacht. Als sie sich wenig später auf eine Assistentenstelle bewarb, war er nicht Manns genug gewesen, gegen
     ihre Einstellung zu votieren. Vielleicht befürchtete er, sie könne ihr ehemaliges Verhältnis öffentlich machen, und dann würde
     ihn seine Ehefrau mitsamt der zwei Töchter und einer astronomisch anmutenden Unterhaltsforderung sitzenlassen.
    Seitdem herrschte ein gespannter Friede zwischen ihnen beiden. |12| Sarah stellte sich allerdings des öfteren die Frage, ob ihre Entscheidung, in Haifa zu verbleiben, richtig gewesen war.
    Ein schneidiges »Ja!« forderte sie auf, einzutreten, nachdem sie an Bergmans Bürotür geklopft hatte. Zu ihrer Überraschung
     war er nicht allein. Auf der anderen Seite seines monströsen Schreibtisches saß in einem der beiden Besucherstühle ein unauffälliger
     Mann, Ende Dreißig. Seine Haut war blaß und mit Sommersprossen übersät, und sein beigefarbener Popelineanzug und die blonden,
     schütteren Haare unterstrichen seine farblose Erscheinung noch.
    Im Gegensatz zu Bergman erhob sich der Besucher höflich, als Sarah das Zimmer betrat.
    Zwischen Bergmans hellen Augen bildete sich eine harte Falte, die Sarah die ihm eigene Ungeduld verriet. »Du bist spät heute
     morgen. Ist dein Wagen wieder nicht angesprungen?« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. »Soweit ich weiß, könntest
     du dir von deinem Gehalt durchaus ein zuverlässigeres Modell leisten.« Bevor sie etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: »Darf
     ich dir Doktor Rolf Markert vorstellen? Er ist katholischer Theologe und Dozent für Bibelarchäologie an der Universität Wuppertal.
     Er wird für drei Monate bei uns zu Gast sein, und da ich weiß, daß du Deutsch sprichst, dachte ich mir, du könntest ihn unter
     deine Fittiche nehmen.«
    Doktor Markert war wie die meisten Archäologen, die sich mit Grabungen im Heiligen Land beschäftigen, in der Lage, Hebräisch
     zu verstehen, doch das Sprechen fiel ihm schwer. Daher verriet sein Blick Dankbarkeit, als Sarah ihm die Hand reichte und
     in akzentfreiem Deutsch sagte: »Guten Morgen, ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
    »Meine wissenschaftliche Assistentin Doktor Sarah Rosenthal«, erklärte Bergman auf englisch. »Sie wird
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