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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum
Autoren: Jules Verne
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Räthsels Lösung.
    Die oberste Stufe der schwachen Leiter reichte bis zum Fußboden eines geräumigen, kreisrunden, nach allen Seiten abgeschlossenen Saales, der ohne einen blendend weißen, durch ein Rundfenster im Fußboden herausströmenden Lichtglanz vollkommen finster gewesen wäre. Jene Glasscheibe glich etwa dem Monde, wenn er, in Opposition zur Sonne stehend, in vollster Klarheit leuchtet.
    Das tiefste Schweigen herrschte zwischen den dunklen starken Mauern. Die beiden jungen Männer glaubten im Vorraume einer Todtengruft zu wandeln.
    Marcel zauderte unwillkürlich einen Augenblick, bevor er sich über die glänzende Scheibe beugte. Er nahte sich endlich seinem Ziele. Hier mußte sich, sagte ihm eine untrügliche Ahnung, das Geheimniß, welches unheimlich über Stahlstadt lagerte, endlich vor seinen Augen offenbaren!
    Bald hatte er jedoch dieses erklärliche Zögern überwunden. Octave und er knieten neben dem Glase nieder und neigten den Kopf darüber, so daß sie den unter ihnen befindlichen Raum nach allen Seiten übersehen konnten.
    Da bot sich ihren Blicken ein ebenso entsetzliches als unerwartetes Bild.
    Die auf beiden Seiten schwach convexe, also einer Linse ähnliche Scheibe vergrößerte alle durch dieselbe gesehenen Gegenstände ganz gewaltig.
     

    Von dem urplötzlichen Angriffe überrascht. (S. 172.)
     
    Hier lag nun Herrn Schultze’s geheimes Laboratorium offen vor ihnen. Das intensive Licht, welches wie aus der Laterne eines Leuchtthurmes durch die Glaslinse strahlte, rührte von einer doppelten elektrischen Lampe her, die in ihrer luftleeren Glocke noch immer fortbrannte, da sie ein mächtiger galvanischer Strom ununterbrochen ernährte. Mitten in dem Zimmer und in blendendem Glanze saß, durch die Strahlenbrechung der Linse enorm vergrößert – ähnlich einer Sphinx aus der lybischen Wüste – eine regungslose menschliche Gestalt.
    Ringsumher bedeckten Sprengstücke eines Geschosses den Boden.
    Hier war kein Zweifel möglich!…. Da saß Herr Schultze, noch immer erkennbar an dem schrecklichen Hohnlachen um den Mund, wie an den weißen Zähnen, aber Schultze in Riesengestalt, den die Explosion einer seiner furchtbaren Mordwaffen gleichzeitig erstickt und durch eine entsetzliche Kälte versteinert hatte.
    Der Stahlkönig beugte sich ein wenig über seinen Tisch, mit einer Riesenfeder, welche mehr einer Lanze gleichkam, in der Hand, und schien noch zu schreiben. Ohne den stieren Blick seiner erweiterten Pupillen und die Unbeweglichkeit seines Mundes hätte man ihn wohl für lebend halten können. Wie die Mammuths, welche man zuweilen im Eise der Polarländer findet, ruhte diese Leiche hier, seit einem Monat jedem menschlichen Auge entrückt. Neben derselben befand sich noch Alles in gefrornem Zustande, die Reagentien in den Probirgläsern, das Wasser in den Recipienten, das Quecksilber in den Thermometerkugeln.
     

    Der Plafond öffnet sich. (S. 174)
     
    Trotz seines Entsetzens über diesen Anblick fühlte Marcel doch eine gewisse Befriedigung, daß es ihm vergönnt gewesen war, das Innere dieses Laboratoriums schon von außen haben übersehen zu können, denn im anderen Falle würden Octave und er gewiß ebenfalls von einem plötzlichen Tode überrascht worden sein.
    Wie konnte sich aber dieser fürchterliche Zufall überhaupt ereignen? Marcel errieth das sehr bald, als er erkannte, daß die auf dem Fußboden verstreuten Sprengstücke des Geschosses aus kleinen Glasscherben bestanden. Die innere Umhüllung, welche die flüssige Kohlensäure in den erstickenden Geschossen des Herrn Schultze enthielt, bestand mit Rücksicht auf den furchtbaren Druck, die sie auszuhalten hatte, aus sogenanntem gehärteten Glase, ein Product, das die Widerstandsfähigkeit des gewöhnlichen Glases wohl um das Zehn-und Zwölffache übertraf. Jenes nur erst kurze Zeit bekannte Erzeugniß leidet aber an einem bisher noch nicht völlig erklärten Fehler, dem nämlich, daß es, wahrscheinlich in Folge irgend einer Molekularveränderung seiner Substanz, manchmal ohne jeden nachweisbaren Grund, scheinbar von selbst explodirt. Vielleicht mochte auch der ungeheure innere Druck dazu beigetragen haben, das in des Stahlkönigs Laboratorium gebrachte Geschoß zu zersprengen. Die plötzlich befreite Kohlensäure erzeugte dann, streng nach physikalischen Gesetzen, indem sie wieder in Gasform überging, eine unerträgliche Erniedrigung der umgebenden Temperatur.
    Auf jeden Fall mußte die Wirkung dieses Unfalles eine
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