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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose
Autoren: Jutta Oltmanns
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du es zulässt“, meinte Cirk schlicht und umschloss ihre Hand dabei mit der seinen. Dann nahm er den Brief an sich.
    „Draußen tobt immer noch der Sturm. Was meinst du, ist es nicht genau das richtige Wetter, um diese Zeilen für immer den Meereswellen zu übergeben. Ich glaube, die nötige Kraft dazu bringe ich noch auf.
    Und als Inken die Stirn runzelte, stand Cirk entschlossen auf.
    „Komm mit an den Strand. Es wird Zeit, die Vergangenheit zu begraben und einen Neuanfang zu wagen, Inken.“ Er legte den Arm um ihre Schultern. „Und danach gehen wir zum ,Steinernen Dornröschen‘ zurück und machen Tjalda und die anderen glücklich. Sie warten auf uns!“
Vollkommenheit
    Am blauen Himmel steht die Sonne
    inmitten ihrer Wolkengefährten .
    Ein leichter Passatwind streichelt das Meer .
    Die Brise bläht das Segel .
    Nicht eine Kräuselung stört die Vollkommenheit im
    Zusammenspiel von Wind und Tuch .
    Wie auf dem Wasser schwebend gleitet das Schiff dahin .
    J. O .
    Als sie das Deck betrat, hielt Inken unwillkürlich den Atem an. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten die Wasseroberfläche in schimmerndes Gold, das sich auch in den Federwolken am noch blassen Himmel spiegelte. Der Schiffsrumpf ächzte leise, und in den Segeln sang der Wind, während das Wasser um sie herum plätscherte und gurgelte.
    Mit sicherer Hand steuerte Garrelt das Schiff aus dem Hafen und hielt aufs offene Meer zu. Cirk stand, die Hände in die Hüften gestützt, auf dem Vorderdeck. Trotz des noch kalten Windes überlief Inken ein warmer Schauer, als sie ihn sah. Wie sie es liebte, ihn einfach nur zu betrachten. Jetzt wandte er sich zu ihr um und lächelte.
    „Und bist du dir immer noch sicher?“, fragte er scherzhaft.
    „Ja, auch wenn es bedeutet, eine Piratenbraut zu sein“, entgegnete sie.
    „Seid ihr euch etwa noch nicht einig? Dann wird’s aber Zeit!“ Bonné prostete ihnen mit einem Becher dampfenden Tees zu.
    Tjaldas Augen glitten wohlwollend über das Seidenkleid – ihr Geschenk für Inken. Eigentlich dominierten dunkle Töne als Kleiderfarbe für Bräute, doch Tjalda hatte befunden, dass zu einem Freudentag eine helle Farbe gehörte. Inken trug ihr Haar offen, so dass es wie Feuer auf dem seidigen Weiß lag. Sumi, die neben ihr stand, berührte sanft und ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit eine der Locken.
    „Wie Flammen auf weißem Schnee. Ein Sinnbild dafür, dass das Unmögliche doch noch wahr werden kann?“ Sanftlächelnd blickte sie zu Cirk hinüber und dieser nickte ihr strahlend zu.
    Inken winkte Hugues, dem kleinen Franzosen, der auf einer Holzkiste saß, herzlich zu. Neben ihm führten seine Frau und Harm Jacobs, der alte Kapitän, gerade eine angeregte Unterhaltung, die von Mary und Charles Devon mit interessierten Blicken verfolgt wurde. Die beiden älteren Herrschaften hatten, zur großen Freude von Cirk, die lange Reise von England nach Ostfriesland angetreten, um bei der Hochzeit dabei sein zu können.
    Das Gemurmel der Freunde, das sanfte Gleiten des Fischerbootes, die Schreie der Möwen, der Geruch nach Meer und Freiheit – all dies gab Inken das Gefühl zu träumen. Inmitten der Menschen, die sie liebte, würde sich ihr größter Wunsch erfüllen. Dieses Wissen ließ Inkens Augen feucht werden, und als ob Cirk gespürt hätte, was in ihr vorging, legte er einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich heran.
    „Ich liebe dich“, flüsterte er ihr ins Ohr.
    „Borkum in Sicht!“, durchbrach da Garrelt diesen Moment der Zweisamkeit, und Inken suchte mit ihren Augen den Horizont ab, bis sie den hellen Fleck auf dem Wasser entdeckt hatte. Da war die Insel, die sie so sehr liebte und auf der sie mit Cirk glücklich sein wollte. Bald schon würden sie dort sein! Und ihr Vater und Wiebke würden mit einer Tasse Tee auf sie warten.

Epilog
Emden, 2009
    „Du hast versprochen, mir von der Chinesin zu erzählen, die in einer Teekiste geflohen ist“. Mit neugierigen Augen blickte das kleine Mädchen zu ihrer Großmutter hoch, auf deren Schoß sie saß.
    „Richtig“, die alte Frau nickte lächelnd. „Ohne Sumis Friesengold hätte es unser Handelshaus vielleicht nie gegeben.“
    „Ohne Inken Hinderks aber auch nicht“, entgegnete das Kind ernsthaft. „Du wolltest mir doch noch zeigen, wie sie ausgesehen hat.“
    „Dann komm“, verschwörerisch zwinkerte die Großmutter ihrer Enkelin zu, „lass uns heimlich verschwinden.“
    Die alte Dame war froh, der Betriebsamkeit des Familienfestes entfliehen
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