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Die Frauen der Calhouns 05 - Megan

Die Frauen der Calhouns 05 - Megan

Titel: Die Frauen der Calhouns 05 - Megan
Autoren: Nora Roberts
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angehaltenem Atem las Megan weiter. Die Richtungsangaben waren sehr präzise. Obgleich er wegen der eigenen ungeheuerlichen Taten im Wahnsinn versank, hatte Fergus Calhoun sich seine Genauigkeit erhalten.
    Megan stopfte sich das Blatt in die Westentasche und eilte aus ihrem Zimmer. Es kam ihr nie in den Sinn, die Calhouns zu alarmieren. Etwas trieb sie an, dass sie das hier allein zu Ende bringen musste.
    Was sie an Werkzeug brauchte, fand sie auf der Baustelle im Familienflügel. Ausgerüstet mit Brechstange, Hammer, Meißel und Zollstock stieg sie die gewundene Steintreppe zu Biancas Turmzimmer empor.
    Sie war früher schon hier gewesen und wusste daher, dass Bianca hier am Fenster gesessen und nach Christian Ausschau gehalten hatte. Dass Bianca hier geweint und geträumt hatte. Und dass sie hier gestorben war.
    Die Calhouns hatten das runde Zimmer wunderschön instand gesetzt, mit farbenfrohen Kissen, einem Fenstersitz, zierlichen Tischchen und kostbarem Porzellan. Eine Chaiselongue, mit Samt bezogen, kleine Tischlampen aus Kristall … Bianca hätte es gefallen.
    Megan schloss die schwere Holztür hinter sich und faltete den Zollstock auseinander. Sie hielt sich strikt an Fergus’ Instruktionen. Sechs Fuß von der Tür, acht Fuß von der nördlichen Wand.
    Ohne auch nur einen Gedanken an den Schaden zu verschwenden, den sie verursachen würde, rollte Megan den Seidenteppich mit dem Blumenmuster zusammen und setzte den Meißel an.
    Es war harte, schweißtreibende Arbeit. Das Holz war alt und dick. Megan ruckte und zerrte, hielt nur an, um die überbeanspruchten Muskeln zu lockern und, als die Dämmerung hereinbrach, das Licht anzuschalten.
    Die Bohle gab mit einem protestierenden Jammern nach. Würde sie an so etwas glauben, hätte Megan behauptet, es sei der Aufschrei einer Frau. Schweißtropfen liefen ihr an den Seiten hinunter, und sie schalt sich still, dass sie nicht an eine Taschenlampe gedacht hatte. Jeden Gedanken an Spinnen oder ähnliches Kriechgetier verdrängend, steckte Megan die Hand in die Öffnung.
    Sie meinte etwas zu fühlen, doch sie bekam es nicht zu fassen, ganz gleich, wie sehr sie sich auch streckte. Mit grimmiger Entschlossenheit machte sie sich an die nächste Holzbohle.
    Die Splitter und die eigene schwache Kondition verfluchend, warf sie das Brett schließlich beiseite, legte sich flach auf den Bauch und tastete in dem Loch.
    Als ihre Finger gegen Metall stießen, hätte sie vor Freude fast geweint. Ächzend zog sie eine Metallkiste hervor, setzte sich auf und hielt die Kiste auf ihrem Schoß.
    Die kleine Truhe mochte nicht viel mehr als dreißig mal dreißig Zentimeter groß sein und wog nur wenige Pfund. Rost und Schmutz hatten das Metall in den langen Jahren überzogen. Fast zärtlich wischte Megan die dicke Staubschicht fort und griff nach dem Riegel. Dann ließ sie die Hand sinken.
    Es stand ihr nicht zu, die Kassette zu öffnen.
    »Ich weiß nicht, wo sie sein könnte.« Amanda kam in den Salon zurück und warf die Hände in die Höhe. »Sie ist weder in ihrem Zimmer noch in ihrem Büro.«
    »Das letzte Mal, als ich sie sah, stand sie vor einem Schrank und sortierte Tischwäsche.« Colleen trank den letzten Schluck ihres Drinks. »Sie ist eine erwachsene Frau. Vielleicht macht sie einen Spaziergang.«
    »Ja, aber …« Suzanna warf einen Blick zu Kevin. Sie wollte den Jungen nicht unnötig aufregen. Nur weil Megan sich nie verspätete, musste das nicht gleich heißen, dass etwas passiert war. »Vielleicht ist sie ja im Garten. Ich gehe nachsehen«, sagte sie und reichte das Baby an Holt weiter.
    »Ich mache das.« Nathaniel stand auf. Zwar glaubte er nicht, dass Megan das Familiendinner vergessen hatte und stattdessen im Garten spazieren ging, doch nachsehen war besser, als sich in Spekulationen zu ergehen. »Sollte sie in der Zwischenzeit …« Er brach ab, als er Schritte auf dem Gang hörte, und dann erschien Megan auch schon in der Tür.
    Das Haar stand ihr unordentlich in alle Richtungen, ihr Gesicht und ihr Kleid waren voller Schmutz. Und sie lächelte strahlend mit weit aufgerissenen Augen.
    »Entschuldigt, dass ich zu spät komme.«
    »Megan, was, um alles in der Welt …?« Verdattert starrte Sloan sie an. »Du siehst aus, als wärst du im Graben gelandet.«
    »Nicht ganz.« Lachend versuchte sie sich mit der Hand das Haar zu richten. »Ich war so in die Sache vertieft, dass ich völlig die Zeit vergessen habe. Ich musste mir ein paar von deinen Werkzeugen ausleihen,
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