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Die Frau des Polizisten

Die Frau des Polizisten

Titel: Die Frau des Polizisten
Autoren: Ingrid Elfberg
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mache.«
    Anna legte ihre Hand auf Erikas. Ihre Wärme brannte auf der Haut. Erika nickte, versuchte in der Bilderflut und dem Gefühlswirrwarr, das auf sie einstürmte, die richtigen Worte zu finden. Wie sollte sie es ihr erklären? Diese Jahre der Demütigung, Unterdrückung und des Irrsinns.
    »Weil ihr euch scheiden lassen wollt?«
    Erika räusperte sich rau.
    »Ja, wir werden uns scheiden lassen. Aber Göran …«
    Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Anna suchte denBlick ihrer Freundin, der ihr jedes Mal entglitt, wenn sie ihn festzuhalten versuchte. Es war also so, wie sie und Krister vermutet hatten – der eigentliche Grund für den überhasteten Aufbruch war häusliche Gewalt, und Erikas Verletzungen waren keinesfalls nur das Resultat eines banalen Sturzes in der Loipe. Sie hatten zwischen Sorge, Verwirrung und Wut geschwankt, hatten am Küchentisch lange im Flüsterton gehaltene Gespräche geführt, die beim kleinsten Geräusch oder einer Regung ihres Gastes jäh verstummt waren.
    Die von innen heraus strahlende, schöne, starke, lustige Erika, Annas beste Freundin an der Hochschule  – die den gutaussehenden Göran geheiratet hatte und mit ihm in das süße Haus in Enskede gezogen war. Und danach? Anna hatte beschämt und verärgert feststellen müssen, dass sie es nicht wusste. Ihre beste Freundin war in ihrer wundervollen Ehe, in einer anderen Welt mit anderen Freunden, in einem anderen Teil des Landes verschwunden. Sie hatten sich aus den Augen verloren. Die Jahre waren dahingegangen, Jahre, in denen sie immer seltener telefoniert oder sich geschrieben hatten. Sie schämte sich – weil sie sich nicht gemeldet, sich nicht ein bisschen mehr bemüht hatte. Und das vor allem, weil sie sich von ihrer besten Freundin zurückgewiesen gefühlt hatte. Zur Seite geschoben von dem gutaussehenden Ehemann und ihrem neuen Leben in Stockholm. Und sie hatte es ihr mit gleicher Münze heimgezahlt – mit Funkstille.
    »Aber er … will die Scheidung nicht?«, ergänzte Anna, als Erika nicht weitersprach. Erika schloss zustimmend die Augen. Anna streichelte sanft über ihren Unterarm.
    »Er schlägt dich«, sagte sie, mehr eine Feststellung denn eine Frage. Sie erhielt ein kurzes Nicken zur Antwort. Plötzlich vermisste Anna Krister, vermisste seine physische Gegenwart. Er war nur wenige Häuser entfernt, stand in derfeuchtheißen Wärme der Restaurantküche in Haga, garnierte mit routinierten Bewegungen die Teller mit Fisch und Schalentieren, kleinen grünen Zweigen und gab duftenden Fond hinzu. Anna erhob sich schwerfällig, umrundete den Tisch und umarmte ihre Freundin, begrub ihr Gesicht in ihren Locken und weinte. Erika saß mit trockenen Augen reglos da und starrte durch das Weinglas. »Ich weiß nicht mehr, wann es angefangen hat«, sagte Erika mit klarer und dennoch wie von weit her kommender Stimme. »Als ob das von Bedeutung wäre. Aber so ist das, man sucht Antworten. Ich habe schon viel zu viel Zeit damit verschwendet, die ganze Sache zu analysieren – es wäre meine Pflicht gewesen, etwas zu unternehmen, ihn zu verlassen, damals schon, weit früher. Aber das macht man nicht so einfach.«
    Die Worte blieben im Dunkeln hängen, nüchtern und unmissverständlich. Anna lockerte vorsichtig den Griff um Erikas Schultern, setzte sich zurück auf ihren Stuhl und tupfte sich mit der Serviette das Gesicht ab, während sie versuchte, die Fassung wiederzugewinnen.
    »Aber du hast doch Freunde, Kollegen,  …«, protestierte sie.
    »Ich habe Göran gesagt, dass ich mich von ihm scheiden lassen wolle, weil er eifersüchtig sei, mich nicht mein eigenes Leben führen ließ, weil er mich schlug und mich bedrohte. Seine Antwort lautete, mich windelweich zu schlagen und mir zu drohen, dass er mir etwas antun würde, wenn ich ihn verließe. Er hat sogar damit gedroht, sich selbst etwas anzutun. Meine Freunde  … Sie stehen daneben und sehen zu. Sind eingeschüchtert, handlungsunfähig, und wagen nicht, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Weil sie ihnen Angst macht, sie nicht ins Bild passt.«
    »Aber du kannst ihn doch nicht …«
    Anna räusperte sich, wappnete sich. Das, was sie hatte sagen wollen, kam ihr auf einmal so selbstgerecht und herablassend vor. Warum konnte eine Frau, die Polizistin war, nicht einfach zurückschlagen? Ihn anzeigen. Der Sache ein Ende machen. Und ihre Kollegen, was zum Teufel hatten sie getan? Gar nichts?
    »Ich meine ja nur, dass … dass du nur … ich …«
    »Du kannst dir gar
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