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Die Frau aus dem Meer

Die Frau aus dem Meer

Titel: Die Frau aus dem Meer
Autoren: Andrea Camilleri
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gestellt werden sollte, zwei Teller, zwei Gläser, Besteck, einen tönernen Tiegel und ein Pfännchen, um sich ein Ei darin zu braten.
    In einer Ecke des Raumes baute er sich eine Feuerstelle aus Stein, denn an Brennholz mangelte es ja nicht. Das Wasser holte er mit den beiden
quartare
, die er auf jeder Seite des Esels festband, von einem Brunnen, der sich weniger als zehn Minuten zu Fuß neben der Straße befand. Alle drei Tage unternahm er diesen Weg zwei Mal: Beim ersten Mal füllte er die
giarra
auf, indem er den Inhalt der beiden
quartare
hineingoss, das zweite Mal diente dazu, die
quartare
selbst voll zu halten.
    Eine extra Reise unternahm er, um sich ein Fass mit fünfzig Litern Wein zu kaufen. Weil nun aber das Fass in dem kleinen Raum zu viel Platz einnahm, brachte er es über dem Bett schwebend an, wo es von drei in die Mauer getriebenen Eisenstangen gehalten wurde. Er richtete es so ein, dass er sich morgens, wenn er Lust darauf hatte, nur halb aufrichten, den Arm ausstrecken, den Zapfhahn des Fasses umdrehen und den Mund öffnen musste, damit der Wein ihm direkt in die Kehle floss.
    Schließlich baute er noch einen zweiten Raum von drei mal drei Metern, nämlich den Stall, der nur zehn Schritt von dem Raum entfernt war, in dem er wohnte, und er stellte den Esel dort hinein. Auch im Stall baute er den gleichen Luftschornstein ein. Der Stall war groß genug für ein weiteres Tier, ein Maultier, das er dringend benötigte.
    An der Außenmauer des Stalls legte er ein großes Gehege an, das in drei Abschnitte unterteilt war, einer für Hühner, einer für Ziegen und einer für Kaninchen, die er gleich kaufen ging.
    Jeden Morgen stand er um vier Uhr auf und arbeitete bis acht Uhr abends; er säuberte seine zehn Salmen von allem Unkraut, und weil das gute Wetter gekommen war, putzte er auch die Mandelbäume aus.
    Und die Bäume, die schon nach kurzer Zeit wie nach einer langen Krankheit geheilt wirkten, eilten sich, ihm zu danken, und fingen an, neue Blätter auszutreiben.
    Irgendwann kaufte er sich ein Maultier und spannte es vor den Pflug.
    Und auch das war wieder eine Knochenarbeit, denn der Boden, um den sich so viele Jahre niemand gekümmert hatte, war so hart geworden, dass die Pflugschar Mühe hatte, ihn aufzubrechen. Als er fertig war und die Farbe der Erde sich von Grau zu Braun verwandelt hatte, lief er einen ganzen Tag auf seinem Land herum, hin und her, über Stock und Stein, stets mit gesenktem Kopf, damit er nur ja das Meer nicht sah. Und er erholte sich beim Duft von Frische und Sauberkeit, den die Erde ihm in die Nase trieb.
    Von morgens bis abends ging er so herum, denn der Duft der Erde veränderte sich im Laufe der Stunden: Morgens um sieben roch es, als würde man den Kopf in einen Brunnenschacht stecken und den Duft von Wasser und Moos einatmen; mittags, wenn die Sonne am höchsten stand, roch die Erde plötzlich wie frischgebackenes Brot; und wenn die Dämmerung einsetzte, duftete sie nach Jasmin und Orangenblüten, obwohl es keinen Jasminstrauch und keinen Orangenbaum in der Nähe gab.
    Jeden Samstag machte er sich mit seinem Esel nach Vigàta auf, um sich neue Vorräte zuzulegen.
    Er kaufte sieben Kilo Brot, ein Kilo eingelegte Oliven, ein schönes Stück Tumazzo-Käse, ein halbes Kilo Fleisch, zwei Pakete Pasta, zwei Kilo Tomaten und Obst, das es in dieser Jahreszeit zu kaufen gab.
    Doch niemals Fisch. Denn der roch nach Meer.
    Tagsüber, wenn er arbeitete, aß er mal Brot mit Tumazzo, mal Brot mit Oliven, dann auch mal Brot mit hartgekochtem Ei. Und er hatte einen
bummolo
bei sich, der ihm frisches Wasser lieferte.
    Abends dagegen kochte er. Er bereitete Pasta zu und grillte Fleisch über dem Feuer. Zum Essen setzte er sich auf einen bequemen flachen Stein unter dem Olivenbaum. War es zu dunkel, zündete er eine Karrenlampe an, die er an einen Ast des Baumes gehängt hatte.
    Er säte Weizen aus und setzte fünfzig Mandelbäume um, von denen zehn starben, aber die anderen wuchsen gut heran. Er säte auch bittere Mandeln aus, damit die Mäuse sie nicht fraßen. Er wollte sie zu Süßmandeln veredeln oder zu Obstbäumen, sobald sie einigermaßen groß geworden wären. Das Wetter war gut. Wie hieß es doch bei den Vorvätern? «Wasser und Wind – dies guten Weizen bringt.» Und so regnete es zur richtigen Zeit, dagegen fiel im Juni nicht ein einziger Tropfen, denn wie man weiß: «Juniregen bringt der Welt keinen Segen.»
    Kurz gesagt, nach einem Jahr schwerer Arbeit erkannte man die
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