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Die Flirtfalle

Die Flirtfalle

Titel: Die Flirtfalle
Autoren: Vera Juergens
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mich langsam in den Schlaf zu schaukeln.  
     
    „Mama, hast du mir ein neues Bilderbuch gekauft?“
    Justin kuschelte sich neben mich ins Bett. Ich wollte so tun, als wäre ich noch am Schlafen, als mir plötzlich dämmerte, welches Buch er meinte. Das Kama-Sutra-Monster lag aufgeschlagen neben mir. Ich schlug das Buch sofort zu und versteckte es unter meinem Kopfkissen. 
    „Hast du das Bild gesehen?“
    „Ja, Mama. Da waren Menschenarme und Beine und Köpfe, alles wie ein Knoten.“
    „Justin, das ist ein Fantasiebuch, hörst du? Die Gestalt, die du gesehen hast, war ein außerirdisches Monster. Denk bitte nicht mehr daran.“
    „Ein Monster wie zwei Menschen, wie ein Knoten…“
    „Sei still! Mama ist noch müde. Mach deine großen Augen zu und schlaf weiter.“
    „Die Schildkröte Mira kam in meinen Garten“, sang Justin los. „Ich bin jetzt ganz still und ganz hungrig“, ließ er mich wissen, nachdem er drei seiner Kinderlieder je zwei Mal rauf und runter gesungen hatte. Ich schaute auf die Uhr - kurz vor neun, und rollte mich aus dem Bett, während Justin das Schildkrötenlied wieder aufgriff und begleitend dazu auf meiner Matratze zu hüpfen begann.
    Wir saßen am Frühstückstisch als das Telefon klingelte. Mutti. Das konnte ich eindeutig am Klang hören. Es war Sonntag und sonntags war ein Besuch bei oder von Mutti obligatorisch. Ich ging nicht ran, da Justin sofort zu singen begann und ich keine Lust auf fiese Bemerkungen hatte. Als sich Justin wieder beruhigte, ließ ich den Anrufbeantworter laufen: 
    „… dreizehn Uhr bei mir. Also bis dann!“
    Wie immer hatte Mutti den Pieps nicht abgewartet, weshalb die Hälfte ihrer Nachricht verloren gegangen war und ich über die Einzelheiten des Familien- Sonntagstreffen nicht aufgeklärt werden konnte. Egal.
    Um P unkt dreizehn Uhr klingelte ich an Muttis Tür. 
    „Da seid ihr! Na, du kleines Schätzchen?!“, rief sie, ging in die Hocke und kitzelte Justin durch. „Melanie, aber wie siehst du denn aus?“ Nun sah sie mich kopfschüttelnd von oben bis unten an. „Also wirklich! Diese kurzen Jeans und das alte T-Shirt! Dabei habe ich dir extra die Nachricht hinterlassen, dass heute Viktor und sein Neffe zum Mittagessen eingeladen sind!“
    Mutters Liebhaber hatte also einen Neffen. Interessant, interessant.
    „Mum, ich …“
    „Komm mit!“
    Ich folgte Mutti ins Schlafzimmer, wo sie ihren großen Kleiderschrank öffnete.
    „Ich werde nicht zulassen, dass meine Tochter wie eine mittellose, alleinerziehende, asoziale Mutter mit dem Blick einer Männerhasserin am Tisch sitzt“ 
    „Aber genau das bin ich doch! Mittellose, alleinerziehende, asoziale …“ 
    „Sei bitte still!“, zischelte sie mit fast geschlossenem Munde wie eine Bauchrednerin. „Leo. Er heißt Leo. Ein gutaussehender junger Mann. Arbeitet als Bankangestellter. Was hältst du davon?“ Sie hielt mir ein Kleid entgegen, in dem sich jede normale Frau wie eine achtzigjährige Nonne auf der Hochzeit ihres Großneffen vorkommen würde.
    „Naja, ich weiß nicht. Muss das denn sein?“
    „Und wie wäre es hiermit?“ Nun hielt sie mir ein schönes Kleid mit einem angenehmen Zickzack-Muster hin.
    „Gut! Das Kleid ist gut“, rief ich mit verstellter Begeisterung.
    „Schön. Also, wir warten im Wohnzimmer auf dich.“ Sie legte mir das Kleid hin und lief davon. Es gehört eine Portion Mut dazu, eine Frau unbeaufsichtigt vor einem großen offenen Kleiderschrank stehen zu lassen, dachte ich, während ich mich nach etwas Flotterem umsah. Ich musste nicht lange suchen, denn das passende Festkleid hing direkt vor meiner Nase. Ich zog es schnell über und stellte mich vor den Spiegel. Das Gewand sah so eigenartig aus, dass mir in den Sinn kam, es sei ein Erbstück von Omi, die es als Erbstück von ihrer Omi bekommen haben müsste. Es war giftgrün und eine Handbreit bis unter das Knie lang. Die Taille fing dort an, wo meine Brüste aufhörten, die Ärmel waren mit einer altertümlichen Zick-Zack-Stickerei verziert. Im Brustbereich leuchtete ein heller Fettfleck, der bestimmt hundert Jahre alt und waschuntauglich war. Ich knöpfte das Kleid bis obenhin zu, bevor ich mich noch einmal amüsiert im Spiegel sah.
    Im Wohnzimmer war eine lebhafte Unterhaltung im Gange. Mutti und Viktor lachten, während Justin sie mit seinem Schildkrötenlied zu übertönen versuchte. Als ich dort erschien, trat eine eiserne Stille ein.
    „Einen wunderschönen guten Tag!“, sagte ich. Peinliches
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