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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe
Autoren: James King
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Willkommen oder Abschied winkenden oder mit dem winzigen braunen Hund spielenden Jungen und Mädchen in die Hand nahm und dann
     wieder zurückstellte. Jedes Mal kam dabei ein Gefühl in ihr hoch, das sie selbst nicht beschreiben konnte, auch nach all den
     Jahren nicht. Und auch diesmal hätte sie sich wohl schon früher an der Vitrine wiedergefunden, wäre sie nicht so schockiert
     gewesen über das Dreckloch, das einmal ihr Zuhause gewesen war.
    Sie war froh, dass Hank nicht mitgekommen war. Wie der wohl reagiert hätte? Hätte das seine Meinung über sie geändert, so
     als sei sie verantwortlich für die Lebensumstände ihres Vaters? Nein, das war nicht Hanks Art. Stattdessen hätte er sie ermuntert,
     das Ganze als günstige Gelegenheit zu sehen, nach verborgenen Schätzchen zu suchen, aus der der Not eine Tugend zu machen.
     Marcy lächelte. Hank war eine wandelnde Goldmine,wenn es um Maklersprüche und Verkaufsstrategien ging. Vermutlich hätte er ihr zu einer Pluspunkte-Liste geraten, und genau
     dabei ertappte sie sich nun, als sie die Figurinen berührte. Schöner Garten, gute Gegend, hervorragende Lage. Das Haus war
     dringend renovierungsbedürftig, aber so würde sie das natürlich nicht formulieren. Sie würde sagen, dass es auf liebevolle
     Pflege wartete und was für eine tolle Gelegenheit das doch war, ihm seinen Stempel aufzudrücken und es zum eigenen Heim zu
     machen.
    Ein guter Immobilienmakler braucht einen neutralen Blick, wiederholte Marcy im Geiste. Und sie beschloss, dass die Hummel-Figuren
     verschwinden mussten, wenn erst die Hausbesichtigung anstand.
    Sie drückte auf die Hupe, als ihr klar wurde, dass der Fahrer vor ihr offenbar nicht mitbekommen hatte, dass die Ampel umgesprungen
     war. April kritzelte irgendwas in ihr Notizbuch und hatte die unvermeidlichen Stöpsel im Ohr. Marcy hatte schon überlegt,
     mit gutem Beispiel voranzugehen und entschuldigend die Hand zu heben, aber dann beschleunigte der Fahrer vor ihr in aller
     Seelenruhe, streckte den Arm aus dem Fenster und zeigte ihr einen Stinkefinger. April versuchte gar nicht erst, ihr Lachen
     zu unterdrücken.
    Immer erst vorher überlegen, ob der Kampf sich lohnt, predigte ihr Bruder Nick immer, als sei das die Patentlösung für jedes
     Problem – zum Beispiel für die immer häufigeren Drohungen ihrer Tochter, aus ihrer beschissenen Hütte mit der »Ge stapo-Zicke « abzuhauen und sich auf die Suche nach ihrem Vater zu machen. Die Beleidigungen und Schimpfwörter konnte Marcy ja noch verkraften,
     aber der Gedanke, dass April tatsächlich von zu Hause weglaufen könnte, jagte ihr eine Heidenangst ein. Und die Vorstellung,
     dass April auch nur das Geringste mitdem Mann zu tun haben wollte, der sie im Stich gelassen hatte, alle beide, machte Marcy jedes Mal wütend. Wie konnte es angehen,
     dass dieser Mistkerl in den Augen ihrer Tochter mehr wert war als diejenige, die sich den Arsch aufriss, um ihr ein anständiges
     Leben zu bieten?
    Marcy überlegte, ob sie selbst in diesem Alter auch so arrogant gewesen war. Nein, definitiv nicht! Als sie fünfzehn gewesen
     war, war ihre Mutter gestorben. Und ihr Vater … also, das hätte ja wohl jeder verstanden, dass sie dem gegenüber schon mal
     eine dicke Lippe riskiert hatte.
    Noch eine rote Ampel, und schon wieder pennte einer. Diesmal war es eine zierliche Frau in einem riesigen SUV, die in ihr
     Mobiltelefon quasselte. Marcy bezähmte sich und hupte nicht, weil sie merkte, dass ihre Tochter aller gespielten Gleichgültigkeit
     zum Trotz genau aufpasste. Während sie Gas gab, bestärkte sie sich noch einmal in ihrem Entschluss. Ihre Tochter würde eben
     einfach akzeptieren müssen, dass sie nicht die Sorte Mutter war, die es gut fand, wenn eine Vierzehnjährige, die noch nie
     hinter einem Steuer gesessen hatte, mit dem Auto ihres Großvaters die Einfahrt rauf und runter fuhr.
    Es war zwar nicht einfach, hart zu bleiben, besonders bei so einem Dickschädel wie April, aber das würde sie schon hinkriegen.
    Bei dem Gedanken an diese Worte verzog sie das Gesicht. Genau dasselbe hatte ihr Vater eben erst gesagt, als er seinen Kram
     zurück in die Schublade geräumt hatte. Mit seinen eingezogenen Schultern und ihr zugekehrtem Rücken hatte er ausgesehen wie
     ein Junge, der gezwungen worden war, seine Socken wegzuräumen.
Bin nur noch nicht dazu gekommen. Ich kümmere mich darum. Und auch um das Laub. Ich kriege das schon hin.
    Und dann dieses verfluchte Zwinkern. Marcy fühlte
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