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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken
Autoren: Karl May
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und, den Sekretär öffnend, in der Nische desselben sein eigenes Bild und dann in einem Fache alle jene nur der Liebe wichtigen Kleinigkeiten bemerkt, welche Auguste einst von ihm empfangen hat, da tritt es ihm feucht und warm in die Augen und er muß sich niederlassen, um auszuruhen, nicht von dem heut zurückgelegten Wege, sondern von der inneren Qual so langer, langer Jahre.
    So sitzt er da. Viertelstunde um Viertelstunde vergeht; er merkt es nicht. Endlich weckt ihn ein lautes Kreischen in den obern Räumen des Hauses. Er steigt die Treppe empor, öffnet eine Thür und sieht die hier gefangen gehaltenen Lieblinge der Todten. Freundlich schnurrend und katzbuckelnd streichen sie ihm um die Beine; er kann nicht anders, er muß sich bücken, um einer nach der andern über das seidenweiche Fell zu streicheln.
    »Euch hat ihre Hand wohl tausendmal berührt; Ihr sollt nicht verwaist sein! Ich nehme Euch mit zu mir!«
    Er schließt wieder zu und steigt hinab. Die »falschen, heimtückischen« Thiere sind ihm plötzlich theuer geworden.
    Kaum weiß er, was er jetzt beginnen soll. Zurück nach Wiesenburg muß er, das ist sicher, und doch kommt auch die Botin nicht, welche er hier bis auf Weiteres zurücklassen könnte. Er, der Menschenscheue, geht in die Stadt, sich einen Fuhrmann zu holen, der die Katzen nach der Station bringen soll. Es gelingt ihm auch, einen solchen zu finden. Wäsch-und Deckelkörbe sind zur Genüge da, und so schwer das Verladen der widerspänstigen Thiere fällt, es gelingt doch und der Wagen geht ab. Nun legt er alles Geld und die sämmtlichen Werthobjekte in eine vorgefundene Reisetasche, verschließt das Haus ganz in der Weise wie er es vorgefunden hat, und wandert der Haltestelle wieder zu.
    Die Zeit hat ihm nicht erlaubt, das Grab der Todten zu besuchen, Visiten zu machen und die sonst nöthigen Förmlichkeiten zu erfüllen; er kommt ja morgen wieder, wo er das Dienstmädchen ganz sicher antreffen und alles Versäumte einbringen wird. An der Bahn holt er den Fuhrmann ein und besorgt, ohne überflüssige Worte mit ihm zu wechseln, die Expedition seiner wunderlichen Fracht, welche sich in ihr Schicksal gefunden hat und nicht das mindeste Geräusch von sich giebt. – –
    An demselben Vormittage sitzt die Rentière Fräulein Auguste Hildebrandt vor ihrem Sekretär und – – zählt keine Thalerstücke. Der Grund zu dieser Unterlassungssünde ist die verdrießliche Lage, in welche sie sich durch die übereilte Ablohnung ihrer Dienerin gebracht hat.
    Was soll sie thun, um die Fortgegangene zu ersetzen? Etwa in die Stadt gehen und nach einem Mädchen hausiren, sie, die vor vielen Jahren den Ort zum letzten Male betreten hat? Nein; jedenfalls kommt Christine wieder; so ist es stets gewesen und so wird es auch heut wieder sein. Was für heut gebraucht wird, ist vorhanden, und das Uebrige muß man eben ruhig abzuwarten suchen.
    »An dieser Verlegenheit ist wieder kein Anderer Schuld als er, dem ich alles Unangenehme zu verdanken habe. Er wußte, wie schwer ich unter seinem Verrathe leiden würde!«
    Sie wirft die Katze, die soeben in ihren Schooß gesprungen ist, wieder hinab, ein Fall, der sonst gar nicht denkbar war, und greift nach seinem Bilde.
    »Wie lieb ich ihn gehabt habe, den Treulosen! Ich sehe es jetzt täglich an der Größe meines Hasses. Ich kann viel, ich kann Alles vergeben, aber dies nie, niemals. Und wenn er mir zu Füßen läge und unter tausend Thränen um Gnade und Erbarmen flehte, ich stieß ihn von mir und würdigte ihn keines einzigen Wortes. Er hat es nicht anders verdient; er hat kein Zartgefühl, er ist rücksichtslos und ungeleckt wie seine Hunde, von denen er nichts Bessers lernen kann!«
    Die Klingel wird gezogen.
    »Das ist Christine. Gut, daß sie kommt!«
    Sie öffnet und erstaunt, einen vollständig fremden Mann vor sich zu sehen.
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin der Diener des Herrn Rentier Hildebrandt in Wiesenburg und komme – – –«
    »Nein,« fällt sie ihm rasch in die Rede, »Sie kommen nicht, sondern Sie gehen, und zwar sogleich!«
    »Verzeihen Sie, Fräulein! Ich habe Ihnen – – –«
    »Wollen Sie sofort diesen Ort verlassen, oder soll ich nach der Bedienung rufen?«
    Der Mann blickt ihr lächelnd in das Gesicht.
    »Ihre Bedienung ist nicht anwesend, ich brauche also keine Angst zu haben und sehe vielmehr, daß Sie vor mir sich fürchten. Darum will ich Ihnen nicht länger zur Last fallen, sondern Ihnen kurz meine Botschaft ausrichten. Mein Herr ist
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