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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Jane Borodale
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gerade in der Hand halte, ist ganz neu: » The Ordinary of Newgate . Sein BERICHT über das Verhalten, die Beichte und die letzten Worte der MISSETÄTER, die in TYBURN am FREITAG, den 25. Mai 1753 hingerichtet wurden«.
    Das ist erst zwei Wochen her – ich muss die Glocke für eben diese Hinrichtung selbst gehört haben. Ich trinke einen weiteren Schluck Tee. Geistesabwesend blättere ich weiter, bis mich unvorbereitet der Schlag trifft.
    »O Gott, nein«, flüstere ich, und bei der plötzlichen Erkenntnis bekomme ich eine Gänsehaut, als ich lese: »Lettice Talbot … angeklagt wegen des Diebstahls eines diamantbesetzten Medaillons am 13. November 1752.« Eisige Kälte breitet sich in mir aus, als hätte mir jemand kaltes Wasser über den Kopf geschüttet, und ich beginne am ganzen Körper zu zittern, während ich weiterlese.
     
    Lettice Talbot, dreiundzwanzig Jahre, wurde in der Pfarrgemeinde St.  Anne in Westminster geboren. Ihre Eltern waren vornehm und gottesfürchtig und hatten ansehnliche Besitztümer. Sie schien bestimmt für ein Leben, das auf den geschätzten Pfaden der Tugend und der achtbaren Zufriedenheit dahingleitet. Die Saat für ihr Verderben lag in ihrer großen Schönheit, derentwegen ihr viele den Hof machten. Unter diesen war ein wohlhabender Baronet, der ein großes Herrenhaus in der Nähe von Chelmsford in der Grafschaft Essex besaß. Ihre Eltern hatten ihn mit mehr Arglosigkeit als Klugheit für heiratswürdig gehalten. Bei der ersten Gelegenheit erwies er sich als nicht vertrauenswürdig – er entehrte sie lüstern und mit Gewalt. Sie wurde schwanger. Als sich ihr Zustand nicht mehr verbergen ließ, wurde sie von ihrer gedemütigten Familie verstoßen. Obwohl sie kurz darauf eine Fehlgeburt erlitt, war sie gezwungen, Unterstützung von der Geschäftspartnerin ihres Verführers anzunehmen, der berüchtigten Kurtisane Sally Bray. Bald verfiel sie einem lasterhaften Leben. Da einige der gebildetsten und angesehensten Gentlemen zu ihren Freiern und Bewunderern gehörten, konnte sie hohe Preise für ihre liederlichen und sehr speziellen Dienste fordern und lebte ein Leben in modischer Eleganz. Als Auslöser für ihren Niedergang gibt sie eine besondere Vertrautheit mit einem gewissen Charles Kettering aus Dorking in Surrey an. Er ist der Ehemann der Klägerin Elizabeth Kettering aus Dorking in Surrey. Lettice Talbot behauptet, dass ihr Fehler darin gelegen habe, der Versuchung der Liebe und deren unzuverlässigem und listigem Komplizen, dem Vertrauen, erlegen zu sein. In diesem Zustand verbotener Liebe wurde sie unvorsichtig und nahm, so erklärt sie selbst, von besagtem Charles Kettering ein Geschenk an, ein Diamantmedaillon im Wert von fünfunddreißig Guineen. Wie später nachgewiesen wurde, handelt es sich dabei um das Eigentum der Klägerin Elizabeth Kettering, die entdeckte, dass ihr verschwundenes Schmuckstück den Hals der Geliebten ihres Ehegatten schmückte. Sie drohte ihrem Gatten mit öffentlicher Bloßstellung, woraufhin er jede Bekanntschaft mit Lettice Talbot leugnete und die Angeklagte angeblich zu Unrecht des Diebstahls bezichtigte.
    Lettice Talbot leugnete bis zuletzt die Tat, für die sie verurteilt wurde. Dafür machte sie nicht das Gericht verantwortlich, sondern ihren Liebhaber Charles Kettering, dem sie Schwäche, Unehrlichkeit und Verrat vorwarf.
    Als der Henker sie am Galgen festband, schrie sie der Menge zu, dass ihr Herz voller Schmerz sei und nicht in Frieden ruhen könne. Dann wurde der Karren unter ihr weggezogen und die Hinrichtung vollzogen, unter so wenig Lärm und Tumult, wie das bei einer derart tragischen Szene nur möglich sein kann.
     
    Ein Stück heiße Kohle fällt durch den Rost, und eine kleine bläuliche Flamme tanzt über der Asche.
    Ich atme tief ein. Lettice Talbot ist tot. Sie ist schon seit Tagen tot.

43

    Meine Schwester Ann ist gekommen. Sie sprudelt über vor Fragen, die ich nicht beantworten werde, jedenfalls jetzt noch nicht.
    Aber sie hat auch Neuigkeiten mitgebracht. Ich habe eine neue Schwester, denn das Kind meiner Mutter ist zur Welt gekommen.
    »Sie heißt Clemmie. Sie kam pünktlich und schlüpfte bereitwillig raus«, erzählt Ann. »Trotzdem«, fährt sie fort, »hat Mutter fest mit dem Fuß aufgestampft und gesagt, dass es das letzte Kind ist. ›Ich werde keine weiteren Kinder mehr bekommen, Thomas‹, hat sie zu Vater gesagt, als sie mit Clemmie an der Brust am Herd stand und im Topf rührte. ›Nicht ein Einziges
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