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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit
Autoren: Connie Willis
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Hörprobleme. Natürlich gab es Glatzen im neunzehnten Jahrhundert, aber wie sollte die jemand mitgehen lassen? Und warum?
    »Was sagten Sie?« fragte ich vorsichtig.
    »Ich sagte ›Hier sind wir‹«, erwiderte Finch, und so war es. Wir standen vor dem Tor des Balliol, wenn auch nicht vor dem seitlichen, sondern vor dem Hauptportal mit der Portierloge und dem vorderen Innenhof.
    Ich schickte mich an, über den Hof und die Treppe hoch zu Dunworthys Zimmer zu marschieren, aber offenbar war ich immer noch desorientiert, denn Finch schnappte mich wieder am Arm und führte mich durch den Gartenhof.
    »Mr. Dunworthy mußte den alten Gemeinschaftsraum in ein Büro umwandeln. Sie besitzt nicht den geringsten Respekt vor verschlossenen Türen, und von Anklopfen hat sie auch noch nie etwas gehört. Mr. Dunworthy mußte also ein äußeres und ein inneres Büro einrichten, obwohl ich einen tiefen Wassergraben für sinnvoller gehalten hätte.«
    Er öffnete die Tür zur früheren Speisekammer, die nun aussah wie das Wartezimmer eines Arztes. An der Wand stand eine Reihe gepolsterter Stühle, und auf einem schmalen Beitisch häufte sich ein Berg Faxmagazine. Der Schreibtisch von Finch stand in der Nähe der Durchgangstür, versperrte praktisch den Weg zu ihr, zweifelsohne, damit Finch sich notfalls zwischen sie und Lady Schrapnell werfen konnte.
    »Ich werde schauen, ob er da ist«, sagte er und umrundete den Schreibtisch.
    »Nein und noch mal nein!« donnerte Dunworthys Stimme von drinnen. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
    O Gott, sie war hier. Ich schreckte gegen die Wand und suchte mit wildem Blick einen Fluchtweg.
    Finch packte mich am Arm und zischte: »Es ist jemand anderes«, aber in gleichen Moment hatte ich es auch bemerkt.
    »Ich verstehe nicht ganz, warum nicht«, antwortete eine weibliche Stimme, und es war nicht Lady Schrapnell, denn die Stimme klang eher lieblich als trompetend, und ich konnte nicht verstehen, was sie nach dem Wörtchen nicht sagte.
    »Wer ist das?« flüsterte ich und entkrampfte mich in Finchs Griff.
    »Das Unglück«, gab er leise zurück.
    »Wie, um alles in der Welt, sind Sie auf die Idee gekommen, Sie könnten so etwas durch das Netz mit zurückbringen?« brüllte Dunworthy. »Sie haben doch Zeittheorie studiert!«
    Finch zuckte zusammen. »Soll ich Mr. Dunworthy sagen, daß Sie hier sind?« fragte er zögernd.
    »Nein, lassen Sie nur.« Ich ließ mich auf einen der chintzbezogenen Stühle sinken. »Ich warte hier.«
    »Warum, um alles in der Welt, haben Sie sie überhaupt zuerst ins Netz mitgenommen?« schrie Dunworthy.
    Finch nahm eines der uralten Faxmagazine und brachte es mir.
    »Danke, ich möchte nichts lesen«, wehrte ich ab. »Ich möchte nur hier sitzen und mit Ihnen zusammen den Lauscher an der Wand spielen.«
    »Sie sollen die Zeitschrift nicht lesen, sondern darauf sitzen«, sagte er. »Es ist außerordentlich schwierig, Rußflecken aus Chintz zu entfernen.«
    Ich stand auf, ließ ihn die aufgeschlagene Zeitschrift auf den Stuhl legen, und setzte mich wieder.
    »Wenn Sie schon etwas derartig Unverantwortliches tun mußten«, schrie Dunworthy, »warum konnten Sie dann nicht bis nach der Einweihung warten?«
    Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand und schloß die Augen. Es war recht angenehm, mitanzuhören, wie zur Abwechslung einmal jemand anderem die Leviten gelesen wurden, und dazu noch von jemand anderem als Lady Schrapnell, auch wenn es unklar war, welcher Missetat sich das »Unglück« schuldig gemacht hatte. Vor allem, als Dunworthy schrie: »Das ist keine Entschuldigung. Warum haben Sie die Matratze nicht einfach aus dem Wasser gezogen und am Ufer zurückgelassen? Warum mußten Sie sie ins Netz schleppen?«
    Matratzenschleppen schien zwar weniger unwahrscheinlich wie Glatzen mitgehen lassen, doch keines von beiden bot sich als ideales Objekt für eine Rettungsaktion aus einem nassen Grab an. Vor allem Glatzen nicht. Und wie sollten die eigentlich durchs Netz transportiert werden? Die Frage nach dem zugehörigen Kopf ließ mich schaudern.
    In Büchern und Videos wird dem Lauscher von den Belauschten freundlicherweise immer alles mitgeteilt, was er benötigt, um das Gehörte richtig zu begreifen. Der Belauschte sagt: »Natürlich wissen Sie ja alle schon, daß diese Matratze, von der ich spreche, damals auf der Fahrbahn dieser Brücke lag, gerade als die Droschke mit Sherlock Holmes im dichten Nebel heranpreschte. Sie wissen doch, in jener Nacht, als Holmes
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