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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition)
Autoren: Sarah Pinborough
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Sie.«
    »Sir?«
    »Selbstmorde von Studentinnen. Ich möchte wissen, wie viele sich im letzten Monat umgebracht haben – ach nein, gehen Sie lieber drei Monate zurück. Bringen Sie mir alle Akten, die wir dazu haben.«
    »London oder landesweit?«
    »Im Moment nur London.«
    »Darf ich fragen warum?«
    Cass hob den Blick. Claire hätte nach dem Grund fragen dürfen, und wahrscheinlich hätte er es ihr erklärt, aber nicht dieser Karrieretyp, der sich zu viele Sorgen um seine Mini-Reputation machte, um sich zu entspannen. »Nein, Armstrong«, antwortete Cass leise, »dürfen Sie nicht.«
    Cass bemerkte ein kaum wahrnehmbares Zucken um den Kiefer seines Gegenübers, doch dann drehte sich der Sergeant um und ging. Er sah ihm nach. Wenn dieser dumme Junge nur kapieren würde, dass irgendwer da oben eine einigermaßen hohe Meinung von ihm haben musste, weil er ihn sonst nicht mitten in diesem Desaster bei Cass untergebracht hätte, dann könnte er langsam anfangen, sich zu dem Polizisten zu entwickeln, der wahrscheinlich in ihm steckte.
    Er schloss die Tür.

    Mittags hatte Cass seinen eigenen langweiligen Bericht über den Fall Mitchell geschrieben und Armstrong hatte alle angeforderten Informationen ausgedruckt. Eagleton hatte Cass eine Nachricht geschickt, dass er bei Jasmine Green, dem Mädchen, das sie am Morgen vorgefunden hatten, eine volle Obduktion vornehmen und ihm sobald wie möglich Bericht erstatten würde. Cass betrachtete den kleinen Papierstapel auf seinem Schreibtisch und fragte sich, wer sich mehr für den Fall interessierte, er oder der Assistent des Gerichtsmediziners. Eagletons Neugier war auf jeden Fall geweckt, doch als Cass die Unterlagen durchblätterte, die Armstrong ihm gebracht hatte, fühlte auch er ein Kribbeln im Magen. Er hätte nicht gedacht, dass er zu diesem Gefühl noch fähig war.
    Anscheinend verspürte eine deprimierend hohe Anzahl junger Menschen das Bedürfnis, ihr Leben zu beenden, ehe sie erwachsen genug waren, um zu begreifen, dass man viel Schlimmeres durchstehen konnte als die Unsicherheit im Alter von achtzehn bis zweiundzwanzig. Während er sich ein Bild von ihren Tragödien machte, erlaubte er sich nicht, allzu lange bei den unweigerlich lächelnden Fotos zu verweilen. Wenn man es zuließ, dass zu viele Tote an einem zupften, ging man unter. Das hatte er schnell gelernt.
    In der Londoner Studentenschaft hatte es in den letzten drei Monaten neun Selbstmorde gegeben. Cass sortierte fünf von ihnen auf einen anderen Stapel, um den man sich nicht kümmern musste, weil alles an ihnen normal erschien – ein gemobbter Jugendlicher, eine junge Frau mit langjähriger Depression – und, wichtiger noch, weil alle fünf in Abschiedsbriefen eine Erklärung abgegeben hatten.
    Doch die übrigen vier breitete Cass sorgsam auf seinem Schreibtisch aus. Vier Selbstmorde in gut zwei Wochen, quer über die Hauptstadt verteilt. Die Akten enthielten nur spärliche Informationen, selbst die von Katie Dodds. Er betrachtete ihr Foto. Dunkle Haare, hübsch. Dann musterte er das zweite Bild von den Wörtern, die mit blutiger Fingerfarbe an die Wand gemalt worden waren. Chaos im Dunkel. Außer diesem Satz gab es keine Nachricht. Erüberflog die angehängte Seite. Beliebte Studentin, begabte Künstlerin, kein Hinweis auf eine Depression.
    Die zweite Akte befasste sich mit James Busby, zwanzig Jahre alt, der im zweiten Semester Sportwissenschaft am Richmond Campus der Brunel University studierte. Vier Tage bevor Katie Dodds sich auf ihrem Bett die Pulsadern durchgeschnitten hatte, hatte er sie sich in der Badewanne eines Studentenwohnheims in Hounslow aufgeschlitzt. Er war Kapitän des Rugby-Teams gewesen und hatte seine Examina bis dahin so bestanden, wie es alle beliebten Studenten tun, nicht als Bester, aber so, dass er mitkam und trotzdem sein Sozialleben aufrechterhalten konnte. Am letzten Abschnitt des Berichts blieb Cass hängen.
    Kein Hinweis auf ein Verbrechen. Der Verstorbene schrieb seiner Mutter aus dem Badezimmer eine SMS. Chaos im Dunkel. Die Mutter verstand es nicht, versuchte anzurufen und bekam keine Antwort. Es gab keine weitere Kommunikation mit dem Sohn, der eine halbe Stunde später von einem Mitbewohner tot aufgefunden wurde.
    Cass’ Herz schlug lauter. Da war es wieder, schwarz auf weiß. Chaos im Dunkel . Was sollte das heißen – und viel wichtiger: Was in aller Welt bedeutete es für diese Kids? Er prüfte die letzten beiden Akten. Angie Lane und Cory Denter. Angie hatte
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