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Die facebook-Falle

Die facebook-Falle

Titel: Die facebook-Falle
Autoren: Sascha Adamek
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Zauberlehrling des Internets. Und wenn Facebook übermorgen an die Börse ginge und Zuckerberg seinen Platz räumen müsste, änderte das auch nichts an der monströsen Macht des Netzwerks, das längst ein Eigenleben führt. Man
kann Facebook auch mit einer La-Ola-Welle vergleichen: Der einzelne aufspringende Fußballfan erklärt das Phänomen allein nicht. Und wenn einer nicht aufspringt, ändert das auch nichts, denn die Welle rollt weiter. 291
    Das Welt-Experiment verselbstständigt sich
    Am Ende wird es gleichgültig sein, ob das Unternehmen Facebook eine gezielte Absicht verfolgt, oder ob dieses Experiment sich einfach vollzieht, ohne dass es einer besonderen Absicht bedarf. Viele neue Technologien wurden nur erfunden, um andere abzulösen, und nicht selten kam dabei etwas völlig Neuartiges heraus. Das Telefon löste vor 140 Jahren den Telegrafen ab und ist mittlerweile eine Kommunikationstechnologie, die weit über das »Fernsprechen«, also den elektronischen Austausch von Worten, hinausgeht. Und wer hätte sich vor vierzig Jahren vorstellen können, dass Videokonferenzen physische Präsenz immer häufiger ersetzen?
    Wir wissen nicht, was Facebook im Schilde führt – vielleicht gar nichts. Vielleicht hätte man ebenso gut fragen können, was das Telefon oder das Fernsehen im Schilde führen. Sicher wissen wir nur, dass sich das Unternehmen Facebook gegenwärtig vor allem auf die kommerzielle Verwertung unserer Interessen konzentriert. Es wäre aber nicht das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass Experimente ausufern. Wernher von Braun, NS-Raketen-Ingenieur und späterer NASA-Vizedirektor, war angeblich auch ausschließlich mit der Entwicklung zielgenauer Raketen
befasst und nicht mit der Vernichtung Tausender unschuldiger Zivilisten. Der als »Vater der Atombombe« bekannte Physiker Robert Oppenheimer distanzierte sich von seinen erfolgreichen Experimenten, nachdem er die Verwüstungen durch die US-Atombombenabwürfe in Japan gesehen hatte.
    Natürlich ist Facebook keine Waffe, aber es kann als solche eingesetzt werden. Gegen einige iranische Oppositionelle geschah dies bereits, denn das Regime nahm deren Einträge auf Facebook zum Anlass, sie zu inhaftieren. Die Bedrohung unserer Freiheit aber ist universeller. Das Internet, lange Zeit ein Hort der vielen Quellen und Stimmen und damit der Demokratie, wird immer stärker von einigen wenigen globalen Konzernen wie Google oder Facebook dominiert. Längst ist das Gefühl, dass uns das Internet gehört, eine naive Verklärung der Realität. Vielmehr gehören wir inzwischen den Internet-Konzernen, und zwar in Form einer massenhaften Wissensquelle, die sich beliebig anzapfen lässt.
    Ein Milliarden-Netzwerk, aber keine Freunde
    In welchem Maße ein solcher digitaler Machtkomplex manipulierbar ist, darüber hat sich der Schriftsteller Cory Doktorow in seinem jüngsten Werk Little Brother Gedanken gemacht. 292 Seine Hauptfigur, der 17-jährige Schüler Marcus Yallow, tut nebenbei nichts lieber als sich in die Sicherheitssysteme der Schule zu hacken, wofür er sich eine Menge Ärger einhandelt. Marcus trotzt einem allmächtigen digitalen
Überwachungssystem. Damit er die Schule unerkannt verlassen kann, hat er sich einen amüsanten Trick ausgedacht, um das biometrische Schritterkennungssystem der Schule zu täuschen. Dieses System speichert den Gang von Schülern und kalkuliert dabei sogar Abweichungen ein: Schlendern sie in Basketballschuhen, nur mit einem Schuh oder mit verknackstem Knöchel, funktioniert das System trotzdem. »Deshalb gehe ich meine Angriffe auf die Schritterkennung mit einer Zufallskomponente an: Ich kippe’ne Handvoll Kiesel in jeden Schuh. Billig und wirksam, keine zwei Schritte sehen gleich aus. Und klasse Reflexzonenmassage gibt’s gratis dazu.«
    Hat Cory Doktorow eine Idee für ein Netzwerk wahrer Freunde? Während des Interviews mit ihm scheint er für einen kurzen Augenblick in seinen eigenen Roman einzutauchen. Im Bad seines Hotelzimmers beginnt plötzlich das Badewasser zu sprudeln. Er hatte nicht vor zu baden und will ungestört ein Interview geben. An der Rezeption entschuldigt man sich. Die Badewannen-Vollautomatik habe verrückt gespielt. Genau dies ist Doctorows wichtigstes Thema: die Technik, die aus den Fugen gerät und den Menschen unterwirft.
    Irgendwann meldete sich auch Doktorow bei Facebook an. Er tat es, weil viele es taten und weil er gerne kommuniziert. Viele Wochen später fiel ihm auf, dass er das Konto nie
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