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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen
Autoren: Tina Sabalat
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üblicherweise zur Sechs: Was sechsfach nach Narbe eins verlangsamt wurde (nämlich das Altern), musste nach Narbe drei dann auch sechsfach beschleunigt werden, Punkt. War Drake körperlich jetzt etwa dreißig Jahre alt, wäre er somit in drei Jahren knapp fünfzig und in zehn Jahren knapp neunzig: Zeitspannen, die für meine Kreuzritter nur ein Wimperschlag waren, aber auch für mich durchaus abwartbar.
    Nur wenige Worte zur Zerstörung von Drakes Narbe: Das Ganze war keine feierliche Zeremonie, sondern eine recht pragmatische Angelegenheit im Behandlungszimmer der Burg. Ciaran sorgte mit einer örtlichen Betäubung dafür, dass Drake keine Schmerzen empfand, dann zeigte mir Andreas mit ruhiger Hand und bedächtigen Worten, wie ich den Dolch zu halten und über die Haut zu führen hatte: Nimm es als Übung für Davide und Maggie, sagte ich mir, während meine Hände zitterten, mein Magen sich empört gegen den unausweichlichen Anblick des hervorquellenden Blutes auflehnte und Drakes schwarze Augen mich hasserfüllt anstarrten, nimm es als deine eigene Befreiung, als die Kirsche auf dem Sahnehäubchen deiner Rache. Wie Andreas es ihm versprochen hatte, durfte Giuseppe dabei sein. Er stand hinter mir, starr wie eine Statue, sprach kein Wort, sah nur zu, und der Schmerz in seinen Augen ließ mich tröstend nach seiner Hand greifen, als wir nachher gemeinsam aus dem Krankenzimmer gingen: Giuseppe ist ein Fluss, über die Ufer getreten, verirrt in den engen Gassen einer alten Stadt, langsam strömend und nach seinem angestammten Bett suchend. Ich habe in der Woche, die er bei uns auf der Burg wohnte, meinen Frieden mit ihm gemacht, denn er ist im Grunde ein ebenso freundlicher wie kluger und guter Mensch. Er verspürt wahre Reue und zudem einen gesunden Hass auf Drake, der uns in Zukunft von Nutzen sein soll - denn wenn auch zum Sterben verurteilt, ist der ehemalige Ordensmeister noch immer eine Gefahr: für meine Freunde, für mich selbst, für Giuseppe und auch für jeden anderen Menschen dort draußen, den das falsche Versprechen eines ewigen Lebens verlocken könnte. Lebenslanger Hausarrest heißt die Lösung für Andreas und Ciaran, in Drakes eigenen Haus in Rom - und für den Preis eines einzigen, dafür aber echten Kreuzbalkens war Giuseppe mehr als bereit, die Aufsicht über seinen Beinahe-Mörder zu übernehmen. Ihm bleibt nach Drakes nicht allzu fernen Tod noch mehr als genug Zeit, um ein eigenes, äußerst langes Leben zu leben und er betrachtete seine Wächterfunktion als gerechte Strafe für seine Taten. Ich habe also erneut zum Dolch gegriffen, um ihm die einzelne Narbe auf der Brust beizubringen, und wir sind wenn nicht als Freunde, so doch in Frieden und Freundlichkeit auseinandergegangen. Zwei Brüder oder Schwestern stehen Giuseppe in Rom zu Seite, bewachen den Bewacher - eine Aufgabe, für die Shane sich nur zu gern gemeldet hat, hat er doch von allen anderen Kreuzrittern das größte Interesse daran, dass Drake nicht mehr sein Unwesen treiben kann. Und wo Shane ist, ist Josie nicht weit: Seit einer Woche ist auch sie in Rom, wo sie mit Hochdruck an Jacksons und meine Wohnung im grauen Haus arbeitet - mindestens drei Anrufe und unzählige SMS pro Tag bei mir wie bei meinem angetrauten Kreuzritter zeugen von ihrem Eifer und lassen in Sachen Ankleidezimmer Schreckliches erahnen.

    Damit genug zu Tod und Strafe, weiter mit erfreulichen Dingen: Davide hat sein Abitur mit eins minus bestanden ist gestern Abend mit Jackson nach Rom geflogen, weil er sich heute und morgen für sein Stipendium dieser Kommission vorstellen soll, über die Ciaran ihn an der Uni unterbringen will. Ich werde den beiden am Mittwoch folgen, begleitet von denjenigen Kreuzrittern, die noch in der Burg sind: Davides Zeremonie rückt immer näher, ab Samstag wird er dann eine waagrechte, hoffentlich schnurgerade Narbe auf der Brust tragen und als jüngster Bruder im Orden meiner Kreuzritter aufgenommen sein. Dass ich jemanden in einen Orden aufnehme, ohne selbst dort erklärtes Mitglied zu sein - Haarspalterei, vergessen wir's. Ich weiß schon jetzt, dass wir beide gleichermaßen nervös sein werden: Ich, weil ich Angst habe, Davide mit diesem verdammten Dolch ernsthaft zu verletzten und er, weil er nicht weiß, wie man angemessen feierlich schauen soll, wenn jemand mit einer blanken Klinge auf einen losgeht. Ich werde Jackson also erst übermorgen wiedersehen und schon jetzt vermisse ich ihn ganz schrecklich - fast drei ganze Tage, so
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