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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße
Autoren: Jack McDevitt
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bald fertig?«
    »Bald.«
    Sie hatten darüber gerätselt, was denn eine Industrie- und Handelskammer sei und welche Aufgabe sie gehabt hatte. Chaka mochte die stilisierte Schrift mit den Au s stellungen und Serifen. Wenn sie auf die Buchstaben sah, schien sie ein Wind aus einem anderen Zeitalter zu u m gehen.
     
    Als Chaka bei der Bestattungsstelle eintraf, hatte man Kariks Leichnam bereits am Ufer auf einem Scheiterhaufen aufgebahrt und mit einem Leichentuch bedeckt. Die sterblichen Überreste waren von Holzkisten umgeben, in denen seine persönlichen Besitztümer lagerten: Kariks Anuma. Dies waren die Gegenstände, die ihn auf seiner letzten Reise begleiten würden. Die zeremonielle Fackel war schon aus ihrer versiegelten Hülle genommen, und das Emblem des Tasselay, des Lebensbechers, flatterte auf einer grünen Fahne.
    Gäste füllten Haus und Grundstück. Einzeln und in Paaren erstiegen sie das Podest, das man vor dem Scheiterhaufen errichtet hatte, erwiesen Flojian ihren Respekt und starrten nachdenklich auf den Leichnam.
     
    »Ich denke, das war’s.« Arin schwang den Pinsel und setzte seine Signatur in die untere rechte Ecke. Dann trat er zurück. Chaka sprang vom Felsen und eilte neugierig herbei.
    »Gefällt es dir?«
    Er hatte alles eingefangen: den Granitblock, ein paar der Straßenbauerbuchstaben, das schwächer werdende Licht des Nachmittags. Und natürlich Chaka selbst. Er hatte eine gewisse Haltung und ein inneres Licht hinz u gefügt, und sie war überzeugt, daß es tatsächlich da war. »O ja, Arin! Es ist wundervoll!«
    Er lächelte zufrieden. Seine freundlichen Gesichtszüge waren mit Farbe beschmiert. Es war ein alter Scherz in der Familie, daß Arin sich selbst als Palette benutzte, um die Farben zu mischen.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, kleine Schwester.«
    Sie dachte darüber nach, wie sich das Bild an der Wand ihres Schlafzimmers machen würde, als sie sah, wie ein Schatten die grünen Augen des Bruders überzog.
     
    Ein unbeteiligter Besucher hätte aus der Anzahl und dem Verhalten der anwesenden Trauergäste sicherlich den (falschen) Rückschluß gezogen, daß Karik Endine mit einer liebenden Familie und einem großen Kreis treuer Freunde gesegnet gewesen war. Nichts davon traf zu. Außer Kariks Sohn und ein paar entfernten Vettern gab es keine Verwandten. Und es wäre sicher schwierig geworden, jemanden in Illyrien oder in irgendeiner anderen der fünf Städte der Liga einschließlich ihrer zahlreichen Vororte und Außenposten zu finden, der sich zum engeren Kreis von Kariks Freunden gezählt hätte.
    Wer ihn aus besseren Zeiten kannte, für den war Karik zu einem Objekt der Neugierde und des Mitleids geworden, dessen Tod als eine Erlösung anzusehen war. Und trotzdem waren sie gekommen, wie Menschen das so tun, aus Loyalität und um der alten Zeiten willen. Manche fühlten sich verpflichtet, die Zeremonie zu besuchen, weil sie in irgendeiner Weise mit Flojian in Verbindung standen. Andere waren neugierig und interessiert an dem, was über diesen berühmten Mann gesagt werden mochte, dessen Errungenschaften zumindest zweifelhafter Natur waren. Allesamt Menschen, die gekommen waren, um Karik Lebewohl für die letzte Reise zu wünschen, um sich an ihn zu erinnern, untereinander Anekdoten auszutauschen und ernste Trinksprüche auf den Mann auszubringen, den sie, wie ihnen am Ende klar geworden war, niemals wirklich gekannt hatten. Und wie es bei derartigen Ereignissen Tradition war, sagte niemand etwas Schlechtes über den Charakter des Verstorbenen. (Eine Tradition, die nicht allein der Höflichkeit gegenüber den Verbliebenen entsprang, sondern auch dem illyrischen Glauben, daß ein Toter unter den Lebenden spukt, bis der Priester ihn offiziell der Ewigkeit übergeben hat.)
     
    »Danke.«
    »Keine Ursache«, antwortete er.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Doch, doch. Alles in Ordnung.« Arin wischte sich die Hände ab und gab vor, sein Werk zu betrachten. »Alles in Ordnung. Aber ich muß dir etwas sagen, Schwester.« Er hatte lange gestanden, über eine Stunde. Jetzt ließ er sich im Gras des Abhangs nieder, klopfte neben sich auf den Boden und lud sie ein, sich neben ihn zu setzen. »Du erinnerst dich sicher an Karik Endine?«
    »Ja. Selbstverständlich erinnere ich mich an ihn.« K a rik war ein lebhafter kleiner Mann gewesen, scheinbar ständig außer Atem, der in ihr Haus gekommen war und sich mit dem Vater und Arin eingesperrt hatte. Als Chaka ein kleines Mädchen war,
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