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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße
Autoren: Jack McDevitt
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brachte der Knabe ein feuchtes Tuch. Silas wischte sich den Staub der Straße vom Gesicht und legte sich das Tuch anschließend um den Hals. »Das tut gut.«
    Kariks Blick war in weite Ferne gerichtet. »Ich habe dich vermißt, Silas«, sagte er.
    »Was ist dort draußen passiert?« fragte Silas. »Sind alle wohlbehalten zurückgekommen?«
    Kariks Gesicht war wie versteinert.
    »Wen hast du verloren?«
    Durch die Fenster war der Mississippi zu sehen. Karik erhob sich und trat zum Fenster. Er blickte auf den Fluß hinaus und leerte seinen Kelch. »Alle«, sagte er leise. »Ich bin allein zurückgekommen.« Seine Stimme bebte.
    Silas setzte sein Glas ab, ohne den alten Freund eine Sekunde aus den Augen zu lassen. »Was ist geschehen?«
    Kariks Atem ging rasselnd. »Zwei ertranken in einem Fluß. Andere starben an Unterkühlung. An Krankheiten. Oder weil sie einfach Pech hatten.« Er schloß die Augen. »Und alles völlig ohne Sinn. Du hattest recht. Du hattest von Anfang an recht.«
    Ein Flachboot kam in Sicht. Es navigierte vorsichtig in einen Seitenkanal auf der Westseite der zerstörten Brücke. Das Deck war mit hölzernen Kisten vollgestapelt.
    Silas schluckte seine Enttäuschung hinunter. Es stimmte; er hatte stur darauf beharrt, daß Haven ein mythologischer Ort sei und die ganze Expedition einem Phantasiegespinst hinterherjagte, doch ein Teil von ihm hatte insgeheim gehofft, im Unrecht zu sein. Tatsächlich hatte er sogar nächtelang wach gelegen und sich vorgestellt, wie es wäre, wenn Abraham Polks Schätze wirklich existierten. Was es bedeutete, eine Geschichte der Straßenbauer zu entdecken und etwas über das Volk zu erfahren, das die großen Städte und Straßen errichtet hatte. Über seine Träume. Und vielleicht sogar einen Bericht über die Zeit der Großen Seuche zu finden.
    Elf Tote. Die meisten von ihnen hatte Silas gekannt: den Führer Landon Shay. Kir, Tori und Mira vom Imperium. Den Künstler Arin Milana. Shola Kobai, die verwegene Ex-Prinzessin von Masandik. Dann war da noch Random Iverton gewesen, ein früherer Offizier der Armee, der zum Abenteurer geworden war, und der Gelehrte Axel von der Akademie in Fernstraße. Und schließlich Cris Lukasi, der Überlebensexperte. Außerdem noch zwei, die Silas nicht gekannt hatte, bis auf den Händedruck beim Abschied draußen auf der regennassen Flußstraße, als sie in die Wildnis aufgebrochen waren.
    Nur der Anführer hatte überlebt. Silas blickte Karik an und wußte, daß sein alter Freund in diesem Augenblick seine Gedanken las.
    »Es ist einfach passiert«, sagte Karik. »Ich hatte mehr Glück als die anderen.« Seine Augen wurden feucht. »Silas, was sage ich nur ihren Familien?«
    »Die Wahrheit. Was bleibt dir sonst übrig?«
    Karik drehte sich wieder zum Fenster und beobachtete die Barke. »Ich habe getan, was ich konnte. Die Dinge liefen schlecht.«
    »Hast du eine Liste der nächsten Angehörigen?« erkundigte sich Silas.
    »Ich hatte gehofft, du würdest mir beim Zusammenstellen helfen.«
    »In Ordnung. Das können wir tun. Du solltest sie für heute abend zu dir einladen, bevor sie herausfinden, daß du heimgekehrt bist, und sich wundern, wo ihre Verwandten bleiben.«
    »Einige von ihnen kamen aus anderen Städten.«
    »Tu was du kannst. Um die anderen kümmerst du dich später. Schicke Boten.«
    »Ja«, sagte Karik. »Vermutlich ist es das Beste so.«
    »Versuch, so viele Leute wie möglich zu erreichen. Lade sie für heute abend hierher ein. Rede mit allen zusammen. Erzähle ihnen, was geschehen ist.«
    Kariks Augen wurden naß. »Sie werden es nicht verstehen.«
    »Was gibt es da zu verstehen? Sie wußten von Anfang an, daß ein Risiko bestand. Wann bist du nach Hause zurückgekehrt?«
    Karik zögerte. »Letzte Woche.«
    Silas starrte ihn lange an. »In Ordnung.« Er füllte die Kelche nach und bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall. »Wer außer mir weiß noch, daß du zurück bist?«
    »Flojian.«
    Kariks Sohn.
    »Also gut. Bringen wir es hinter uns. Hör zu: Die Leute, die mit dir gegangen sind, waren allesamt Freiwillige. Sie wußten, daß Gefahren auftauchen würden, und ihre Familien wußten es ebenfalls. Du mußt ihnen nur erzählen, was geschehen ist, weiter nichts. Drücke ihnen dein Beileid aus, und sag ihnen, daß es dir leid tut. Das ist schon in Ordnung. Sie werden einsehen, daß auch du um deine Leute trauerst.«
    Karik verschränkte die Arme und schien zusammenzusacken. »Silas«, sagte er nach einer Weile. »Ich
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