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Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek
Autoren: James A. Owen
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gefallen, weil sie gar keine andere Wahl hatten – bis Galen das Schwert zum Vorschein brachte und sie beschlossen, dass es womöglich die beste Form der Improvisation sei, ihre Version in die Kulissen zu verlegen und Platz für Galens Vorhaben zu machen.
    Galen war noch nie in Bayreuth gewesen – er hatte sich geschworen, niemals einen Fuß in die Stadt zu setzen, es sei denn als Künstler auf der Bühne des Festspielhauses. Und jetzt, nach all den Jahren der Sehnsucht, war er hier. Er fühlte sich ein wenig verwirrt und war unsicher, wie er hierher gekommen war. Vage erinnerte er sich, dass er in ein Auto gestiegen und nach Bayreuth gefahren war, wo man ihn höflich, wenn nicht gar enthusiastisch empfangen hatte. Und dann wurden Hände geschüttelt und es gab Aperitifs und schließlich war er hier, im Festspielhaus.
    Wie lautete sein Text? Er konnte sich kaum entsinnen. Es kam ihm seltsam vor, dass er ihn vergessen haben sollte – hatte er sich nicht sein ganzes Leben lang auf diese Rolle vorbereitet?
    Er erinnerte sich an die Aufzeichnungen, die er mitgebracht hatte, die Übersetzungen – der echte Ring. Er zog sie aus seiner Weste und sah sie in aller Ruhe durch, bis ihm ein vertrauter Name ins Auge fiel, und da erinnerte er sich.
    Hagen. Er war Hagen.
     

     
    »Ich flehe Sie an, Sie müssen mich hineinlassen«, sagte Michael noch einmal zu dem aufreizend korrekten Beamten an der Tür. »Sie verstehen wirklich nicht, was hier vor sich geht.«
    Der Beamte begutachtete seine Fingernägel, dann sah er Michael an, als habe dieser ihm gerade einen unsittlichen Antrag gemacht. »Es tut mir Leid«, erwiderte er mit gerümpfter Nase, »aber wenn die Vorführung begonnen hat, darf sie auf keinen Fall unterbrochen werden. Die Türen bleiben geschlossen.«
    Michael ließ sich gegen die Wand sinken und überlegte, ob er sich gewaltsam Zutritt verschaffen solle, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Ein solches Vorgehen würde zu viel Ärger verursachen, besonders eingedenk der Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, in welcher geistigen Verfassung Galen sich befand oder was er letztendlich vorhatte.
    Er wollte gerade zu simpler Bestechung greifen, als die nicht zu öffnenden Türen aufgingen und ein weiterer Lakai seinen Kopf hindurchsteckte. Michaels Herz rutschte in die Hose – es war ein Verstoß gegen das Protokoll, die Türen während einer Aufführung zu öffnen. Was immer gerade passierte: Wahrscheinlich handelte es sich um ein Sicherheitsproblem, und der Schwarze Peter wurde weitergereicht.
    Es folgte ein eiliges, nervöses Flüstern, untermalt von hochgezogenen Brauen, aufgerissenen Augen und schließlich mehreren kurzen Blicken in Michaels Richtung.
    Das Gespräch endete, und Beamter Nummer Eins schickte Beamten Nummer Zwei im Laufschritt zu den Büros des Festivals. Dann packte er Michael am Kragen und reichte den mutmaßlichen Schwarzen Peter weiter.
    »Sie haben die Wahrheit gesagt«, flüsterte er, um keine Unruhe auszulösen. »Gunnar-Galen ist hier – was können Sie gegen ihn unternehmen?«
    »Unternehmen?«, fragte Michael. »Wieso? Was ist los?«
    »Er steht auf der Bühne«, zischte Beamter Nummer Eins, während er die Tür öffnete und Michael hindurchschob, »und er fuchtelt mit einem Schwert herum. Viel Glück!«
     

     
    Ich habe es geschafft, dachte Galen. Das war der Auftritt seines Lebens, und jede wichtige Persönlichkeit aus den Elfenbeintürmen der Welt war hier, um ihn zu sehen.
    Wohin Galen auch blickte, jeder Zuschauer im Publikum hatte sich in Obskuro, den Zen-Illusionisten verwandelt.
    Sie jubelten – genauer gesagt, sie jubelten ihm zu: Mikaal Gunnar-Galen bei seinem großartigen und triumphalen Comeback auf der glorreichen Bühne Bayreuths.
    Tränen strömten sein Gesicht hinab, als er stehen blieb und sich erst einmal, dann ein zweites Mal verbeugte, um seine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Dann zog ihn jemand leicht am Ärmel – vielleicht ein weiterer Bewunderer, der sich einen Augenblick der Vertrautheit mit dem großen Mann erhoffte.
    »Galen – Galen, kommen Sie. Ich muss Sie hier rausbringen.«
    Galen sah sich blinzelnd um, und der Raum schien zu verblassen. Auf der Bühne stand ein Mann – kannte er ihn?
    Michael schüttelte ihn noch einmal. »Galen, geht es Ihnen gut?«
    Galen rutschte vor Angst das Herz in die Hose – es war Siegfried, der Sonnenkönig. Er war gekommen, um den Schatz für sich zu beanspruchen und ihn zu vernichten. Galen zwang sich zur
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