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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dich liebe! Warum kannst du jetzt nicht bei mir sein?«
    »Später, mein Liebes, später. Unser Leben ist noch lang …«
    »Viel zu kurz, Boris. Ich habe jetzt schon Angst vor jedem Tag ohne dich. Ein verlorener Tag! O Boris, komm nach Monte Carlo!«
    »Unmöglich, moy druk!«
    »Was hast du gesagt?«
    »Das ist Russisch und heißt: Mein Liebling …«
    »Sag es noch mal!«
    »Moy druk …«
    Sie wiederholte es. Immer und immer wieder. Moy druk … moy druk … moy druk …
    »Komm nach London«, sagte sie dann. »Ich fliege am Freitag dorthin.«
    »Ich komme hier nicht weg, Lyda. Ich habe einen Beruf, ich bin ein kleiner Angestellter und habe meine Arbeitszeit, ich kann nicht kommen und gehen, wann ich will. Ich habe im Jahr fünf Wochen Urlaub, mehr nicht. Ich bin Beamter eines sowjetischen Verwaltungsapparates …«
    »Dann kündige, Boris!«
    »Und was soll ich dann tun?«
    »Ich stelle dich im Konzern ein. Dort, wo keiner deinen Namen kennt. Zum Beispiel als Direktor unserer Papierwerke in Boston.«
    »Weißt du, was das bedeutet, Lyda?«
    »Daß wir dann immer zusammen sein können, Boris.«
    »Es bedeutet« – seine Stimme wurde sehr ernst –, »daß ich in den Augen der Genossen mein Vaterland verrate. Daß ich überlaufe zu den Kapitalisten. Man wird mich ausbürgern, ich werde staatenlos, darf nie mehr nach Rußland zurück. Nie mehr zu meiner Mutter, zum Grab meines Vaters, zu meinen Freunden. Ich werde vogelfrei. Und als ein Mensch ohne Heimat, ohne Land lebe ich von deinen Gnaden. Glaubst du, das wird ein glückliches Leben?«
    »Ich liebe dich ewig, Boris. Moy druk!« Er hörte, wie sie ins Telefon küßte, und lächelte verträumt vor sich hin. Mein lieber Oberst Pujatkin, dachte er, man hat aus uns in mühevoller Kleinarbeit Maschinen gemacht, die auf Knopfdruck gehorchen. Aber ein einziger Kuß einer Frau genügt, und die Maschinerie bekommt einen Riß. Da helfen auch alle Schulungslager nicht.
    »In zehn Tagen bin ich wieder in Paris«, sagte sie. »Dann komme ich zu dir, in deine Dachwohnung, mit dem Blick über die Dächer von Paris.«
    »Ich habe eine Überraschung für dich, Lyda. Meine Mutter hat mir einen Samowar geschickt. Einen aus Rußland, keinen nachgemachten, wie man sie hier zu kaufen bekommt. Einen richtigen alten Samowar, den mein Großvater im Kaukasus noch benutzt hat. Wenn du kommst, koche ich uns einen Tee und backe dir Blinis mit Hühnerleber.«
    »Ich träume schon davon, Boris. Es wird besser schmecken als im Maxim's.«
    »Viel besser.«
    »Weißt du, daß ich gar nicht kochen kann?«
    »Das glaube ich nicht. Das Kaffeewasser brennt dir bestimmt nicht an.«
    Sie lachte vergnügt. »Einmal habe ich Schaschlik gemacht. Es ist mir verbrannt. Und bei Mutters Geburtstag – das ist schon lange her – wollte ich sie mit einem Pudding überraschen. Der Pudding sah herrlich aus – nur essen konnte man ihn nicht. Ich hatte Zucker mit Salz verwechselt.«
    »Um so besser koche ich!«
    »Ha! Eine Idee! Ich engagiere dich als Koch! Als meinen Privatkoch! Das ist unverfänglich, du bist immer um mich, auch abends und nachts, denn ich kann ja auch nachts mal richtigen Hunger kriegen.«
    »Aufs Essen?«
    »Pfui, Boris!« Sie lachte hell und war unendlich glücklich. »Was machst du heute abend, Boris?«
    »Ich gehe ins Theater. Eine neue Komödie. ›Wer kitzelt Mademoiselle Babette?‹ Der Titel verspricht viel.«
    »Boris, hast du getrunken?«
    »Ich bin immer wie betrunken, wenn ich dich höre. Lyda, gibt es noch zwei Menschen, die sich so lieben wie wir?«
    »Nein. Unmöglich, moy druk … Und wenn sie es behaupten, dann lügen sie. Wir sind die Glücklichsten auf der ganzen Welt!«
    Sie telefonierten über eine Stunde, dann legte Lobow auf. Da er das Gespräch angemeldet hatte, lief es auf Kosten des KGB. Er wird wieder schimpfen, der Geizkragen Pujatkin, dachte Lobow. Wenn es nach ihm ginge, müßte man die Welt mit einem Etat von zwanzig Kopeken regieren können.
    Er beugte sich über den Schreibtisch, schlug die Mappe auf und studierte die neuesten Berichte seiner KGB-Vertrauensleute auf den sowjetischen Schiffen in aller Welt. Aus Senegal meldeten sie, daß Schweizer Firmen eine pharmazeutische Fabrik bauen wollten. Aus Ghana kam die Nachricht, daß im Hinterland Versuchsfarmen mit riesigen Blumenfeldern angelegt wurden. Auch hier eine sowjetische Beteiligung; die Farm bauten die Franzosen. Aus den Fischgebieten vor Westafrika berichtete man, daß ein deutsches Forschungsschiff
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