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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
Autoren: Courtney Milan
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teuersten Spitze bestellt und jede Elle auf dieses eine Kleid genäht.
    Das war kein Fall von zu viel des Guten. Wenn da irgendetwas Gutes unter all dieser Spitze war, war es schon längst erstickt worden.
    Als sie den Umhang ablegte, erstarrten alle Anwesenden in wortlosem Staunen angesichts einer Aufmachung, gegen die das Wort „protzig“ unschuldig und bescheiden erschien.
    Bradenton erholte sich als Erster. „Miss Fairfield“, wiederholte er.
    „Ja, Sie haben mich schon begrüßt.“ Sie hatte eine schöne Stimme. Wenn Oliver die Augen schließen würde … oder sie nur oberhalb des Halses anschaute …
    Sie machte ein paar Schritte nach vorn, trat zu dicht vor Bradenton, sodass dieser unwillkürlich zurückwich. Ihre Ohrringe – schwere Diamanten in silberner Fassung – hingen nur wenige Fuß vor Olivers Augen.
    Mit einem dieser Ohrringe konnte man drei Mal den Hof seiner Eltern kaufen.
    „Vielen Dank für die Einladung“, sagte sie. Während sie sprach, legte sie ihren Umhang zusammen. Einer der Bediensteten in den grauen Livreen hätte längst kommen, ihr beim Ablegen helfen und ihr das Kleidungsstück abnehmen müssen. Aber sie waren wohl wie alle anderen gebannt vom Anblick ihrer schrecklichen Aufmachung.
    Miss Fairfield schien nichts von alldem zu bemerken. Ohne zur Seite zu sehen, ohne Oliver einen Blick zuzuwerfen, reichte sie ihm den Umhang. Seine Hände griffen danach, bevor ihm klar wurde, was sie getan hatte. Sie kehrte ihm den Rücken, wandte sich den anderen beiden Herren zu, grüßte Hapford und Whitting mit ihrer angenehmen Stimme, sodass es ihm überlassen blieb, die kunstvoll arrangierten Löckchen in ihrem Nacken zu betrachten.
    Sie hatte ihm ihren Umhang gereicht. Als sei er ein Dienstbote. Ein Lakai kam zu Oliver geeilt und nahm ihm mit einer gemurmelten Entschuldigung das Kleidungsstück ab, doch es war zu spät. Er konnte das entsetzte Lächeln auf Whittings Gesicht sehen, das er offenbar nicht unterdrücken konnte. Bradenton lächelte Oliver ebenfalls belustigt an.
    Er stand längst darüber, sich über solch lächerliche Kränkungen zu ärgern, und das hier war ja nicht einmal mit Absicht geschehen. Aber Himmel, sie war eine Katastrophe. Beinahe tat sie ihm leid.
    Bradenton deutete auf Oliver. „Miss Fairfield“, sagte er, „hier ist ein Herr, dessen Bekanntschaft Sie noch nicht gemacht haben.“
    „Ach ja?“ Miss Fairfield drehte sich um und richtete ihren Blick schließlich doch auf ihn. „Meine Güte, ich habe Sie gar nicht gesehen, als ich hereinkam.“
    Sie hatte ihn gesehen. Sie hatte nur gedacht, er sei ein Diener. Ein einfacher Irrtum, mehr nicht.
    „Miss Fairfield“, bemerkte Oliver glatt. „Es ist mir ein Vergnügen.“
    „Miss Jane Fairfield, darf ich Ihnen Mr. Oliver Marshall vorstellen?“, sagte Bradenton.
    Sie legte den Kopf zur Seite und schaute ihn an. Sie war wirklich hübsch. Ein lästiger Teil seines Verstandes konnte nicht umhin, das trotz ihrer entsetzlich protzigen Aufmachung zu bemerken. Hübsch, wenn man Frauen mit dem gesunden, strahlenden Aussehen einer englischen Rose mochte. Gewöhnlich war das bei Oliver der Fall.
    Er fragte sich, wann sie ihren Fehler bemerken würde. Sie kniff die Augen vor Konzentration zusammen, und auf ihrer Stirn bildete sich eine steile Falte, während sie ihn musterte.
    „Aber wir haben uns schon einmal gesehen“, erklärte sie.
    Damit hatte er bestimmt nicht gerechnet. Oliver schaute sie leicht verunsichert an.
    „Ich bin sicher, wir sind uns schon einmal begegnet“, fuhr sie fort. „Sie kommen mir bekannt vor. Da ist etwas an Ihnen, etwas …“ Miss Fairfield klopfte sich mit dem Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „Nein“, stellte sie schließlich betrübt fest. „Nein, ich irre mich. Es ist nur, dass Sie so gewöhnlich aussehen mit diesem Haar und der Brille, dass ich Sie glatt verwechselt habe.“
    Er sah gewöhnlich aus?
    Jede andere Frau, die eine solch gewaltige Beleidigung austeilte, hätte das Wort leicht betont, um sicherzugehen, dass sie auch richtig verstanden wurde. Miss Fairfield jedoch benahm sich nicht, als erteilte sie eine Abfuhr. Sie klang eher, als würde sie die Zahl der Welpen in einem Körbchen kommentieren.
    „Ich bitte um Verzeihung.“ Er merkte, dass er sich aufrechter hinstellte, sie mit frostiger Miene betrachtete.
    „Nein, nein, es besteht keine Notwendigkeit, mich um irgendetwas zu bitten“, erwiderte sie mit einem Lächeln. „Sie können nichts für Ihr
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