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Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (German Edition)

Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (German Edition)
Autoren: Jürgen Osterhammel
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Logistik von interkulturellem Wissen im ersten Teil, den der Autor selbst für den originelleren hält. Beiden Teilen gemeinsam ist der wissenschaftshistorische Rahmen einer Epoche, in der sich die akademischen Fächer, wie wir sie heute kennen, noch nicht formiert hatten. Vor 1830, dem ungefähren Zeitpunkt, mit dem die Darstellung schließt, gab es an den europäischen Universitäten noch keine Fachkulturen und Studiengänge der Sinologie und Japanologie und nur in ersten Ansätzen solche von Indologie (als Sanskritistik verstanden) oder Arabistik, geschweige denn einer eher von der Religion als von den Sprachen her definierten „Islamwissenschaft“. Edward Said interessierte sich, anders als einige seiner Schüler, nur wenig für den Proto-Orientalismus der frühen Neuzeit. Er sah – und darin kann man ihm folgen – in Bonapartes Ägypten-Expedition von 1798–1801 und den durch sie ermöglichten Nahoststudien den Beginn eines Orientdiskurses, der die Nähe zur Macht suchte und zugleich das Prestige der Wissenschaft für sich in Anspruch nahm. Wie von Kritikern häufig bemerkt wurde, blendete Said die Entwicklung der deutschsprachigen Orientwissenschaften im 19. Jahrhundert, die großen Einfluß in der Welt erlangten, vollkommen aus und verzichtete damit auf einen wertvollen Testfall zur Überprüfung seiner Argumente bezüglich der politischen Verstrickung von Orientfachleuten in imperiale Herrschaftszusammenhänge. Einige bedeutende Bücher haben in den letzten Jahren die Geschichte der deutschen Orientforschung sorgfältig rekonstruiert und dabei vor allem auf deren Einbettung in einen ganzen Kranz von Nachbarwissenschaften von der Archäologie über die Theologie bis zur Kunstgeschichte hingewiesen (Mangold 2004, Polaschegg 2005, Rabault-Feuerhahn 2008, Wokoeck 2009, am wichtigsten: Marchand 2009). Es ergibt sich daraus der Gesamteindruck einer differenzierten Forschungslandschaft, in der gelehrte Weltfremdheit öfter zu finden war als politische Instrumentalisierung. Die für das späte 19. Jahrhundert charakteristischen Milieus hochspezialisierter Universitätsprofessoren verbindet wenig mit den Reisenden und Amateuren, die das handelnde und schreibende Personal der Entzauberung Asiens bilden. Nur bei archäologischen Grabungen in Ägypten, West- und Zentralasien und den mit ihnen verbundenen imperialen Rivalitäten finden wir eine Interaktionsdynamik und eine Abenteuerlichkeit, die an die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erinnern (Trümpler 2008).
    Entzauberung und neuer «Aufstieg» Asiens
    Das Stichwort «Entzauberung» läßt kundige Leser an Max Weber denken, und ein niederländischer Rezensent hat beklagt, daß dieser Begriff nicht präzise genug gefaßt und nicht zum streng beachteten Leitfaden der gesamten Darstellung gemacht worden sei (Jürgens 2001). Es konnte indes für ein Werk populär geschriebener Ideen- und Kulturgeschichte nicht beabsichtigt sein, das komplizierte Feld der Weber-Exegese zu betreten und aus den verschiedenen Fundstellen bei dem großen Soziologen eine ihm gerecht werdende Vorstellung von der Entzauberung „der Welt“ als langfristigem Prozeß herauszupräparieren. Gemeint war vielmehr dies: Im Laufe des 18. Jahrhunderts, das als ein langes, um 1680 beginnendes Jahrhundert gefaßt werden sollte, verloren die Zivilisationen Asiens in der charakteristischen Sichtweise von Europäern ihre Märchenhaftigkeit. Zwar hielt sich von Antoine Gallands Übersetzung der Geschichten aus den 1001 Nächten (1704) bis zu William Beckfords Schauerroman Vathek (1786) weiterhin die Bilderwelt des phantastischen Orients, doch trat daneben die rationale Beschreibung und Analyse zeitgenössischer asiatischer Gesellschaften, die zu zeigen versuchte, wie diese Gesellschaften samt ihren politischen Systemen und religiösen Praktiken „funktionierten“. Die Länder des nichtchristlichen Eurasiens wurden keineswegs einem pauschalen Oberbegriff von „Asien“ oder dem „Orient“ als dem Gegenteil von „Europa“ bzw. dem „Okzident“ unterworfen, sondern in ihren Besonderheiten vergleichend dargestellt und diskutiert. Schroffe Ost-West-Dichotomien finden sich im 18. Jahrhundert ebenso selten wie Versuche, Asien aus der Sphäre historischer Bewegung in einen Sonderraum der „Geschichtslosigkeit“ zu verdrängen, es auf ein Abstellgleis der Weltgeschichte zu schieben.
    Wenn Max Weber an einer Stelle in seinem Spätwerk die Entzauberung der Welt als deren «Verwandlung in einen kausalen
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