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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Autoren: Charles Darwin
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der Attraktion oder Gravitation sei? Obwohl Leibnitz einst Newton anklagte, dass er »verborgene Qualitäten und Wunder in die Philosophie« eingeführt habe, so werden doch die aus diesem unbekannten Elemente der Attraktion abgeleiteten Resultate ohne Einrede angenommen.
    Ich sehe keinen triftigen Grund, warum die in diesem Bande aufgestellten Ansichten gegen irgend Jemandes religiöse Gefühle verstoßen sollten. Es dürfte wohl beruhigen, (da es zeigt, wie vorübergehend derartige Eindrücke sind), wenn wir daran erinnern, dass die größte Entdeckung, welche der Mensch jemals gemacht, nämlich das Gesetz der Attraktion oder Gravitation, von Leibnitz auch angegriffen worden ist, »weil es die natürliche Religion untergrabe und die offenbarte verläugne.« Ein berühmter Schriftsteller und Geistlicher hat mir geschrieben, »er habe allmählich einsehen gelernt, dass es eine ebenso erhabene Vorstellung von der Gottheit sei, zu glauben, dass sie nur einige wenige der Selbstentwickelung in andere und notwendige Formen fähige Urtypen geschaffen, wie dass sie immer wieder neue Schöpfungsakte nötig gehabt habe, um die Lücken auszufüllen, welche durch die Wirkung ihrer eigenen Gesetze entstanden seien.«
    Aber warum, wird man fragen, haben denn fast alle ausgezeichneten lebenden Naturforscher und Geologen diese Ansicht von der Veränderlichkeit der Spezies bis vor Kurzem verworfen? Es kann ja doch nicht behauptet werden, dass organische Wesen im Naturzustande keiner Abänderung unterliegen; es kann nicht bewiesen werden, dass das Maß der Abänderung im Verlaufe langer Zeiten eine beschränkte Größe sei; ein bestimmter Unterschied zwischen Arten und ausgeprägten Varietäten ist noch nicht angegeben worden und kann nicht angegeben werden. Es lässt sich nicht behaupten, dass Arten bei der Kreuzung ohne Ausnahme unfruchtbar und Varietäten unabänderlich fruchtbar seien, noch dass Unfruchtbarkeit eine besondere Gabe und ein Merkmal der Schöpfung sei. Der Glaube, dass Arten unveränderliche Erzeugnisse seien, war fast unvermeidlich, so lange man der Geschichte der Erde nur eine kurze Dauer zuschrieb; und nun, da wir einen Begriff von der Länge der Zeit erlangt haben, sind wir nur zu geneigt, ohne Beweis anzunehmen, die geologische Urkunde sei so vollständig, dass sie uns einen klaren Nachweis über die Abänderung der Arten geliefert haben würde, wenn sie solche Abänderung erfahren hätten.
    Aber die Hauptursache, weshalb wir von Natur nicht geneigt sind zuzugestehen, dass eine Art eine andere verschiedene Art erzeugt haben könne, liegt darin, dass wir stets behutsam in der Zulassung einer großen Veränderung sind, deren Mittelstufen wir nicht kennen. Die Schwierigkeit ist dieselbe wie die, welche so viele Geologen fühlten, als Lyell zuerst behauptete, dass binnenländische Felsrücken gebildet und große Thäler ausgehöhlt worden seien durch die Kräfte, welche wir jetzt noch in Tätigkeit sehen. Der Geist kann die volle Bedeutung des Ausdruckes von einer Million Jahre unmöglich fassen; er kann nicht die ganze Größe der Wirkung zusammenrechnen und begreifen, welche durch Häufung einer Menge kleiner Abänderungen während einer fast unendlichen Anzahl von Generationen entstanden ist.
    Obwohl ich von der Wahrheit der in diesem Buche in der Form eines Auszugs mitgeteilten Ansichten vollkommen durchdrungen bin, so hege ich doch keineswegs die Erwartung, erfahrene Naturforscher davon zu überzeugen, deren Geist von einer Menge von Tatsachen erfüllt ist, welche sie seit einer langen Reihe von Jahren gewöhnt sind, von einem dem meinigen ganz entgegengesetzten Gesichtspunkte aus zu betrachten. Es ist so leicht, unsere Unwissenheit unter Ausdrücken, wie »Schöpfungsplan«, »Einheit des Typus« u. s. w. zu verbergen und zu glauben, dass wir eine Erklärung geben, wenn wir bloss eine Tatsache wiederholen. Wer von Natur geneigt ist, unerklärten Schwierigkeiten mehr Wert als der Erklärung einer gewissen Summe von Tatsachen beizulegen, der wird gewiß meine Theorie verwerfen. Auf einige wenige Naturforscher von biegsamerem Geiste und welche schon an der Unveränderlichkeit der Arten zu zweifeln begonnen haben, mag dies Buch einigen Eindruck machen; aber ich blicke mit Vertrauen auf die Zukunft, auf junge und strebende Naturforscher, welche beide Seiten der Frage mit Unparteilichkeit zu beurteilen fähig sein werden. Wer immer sich zur Ansicht neigt, dass Arten veränderlich sind, wird durch gewissenhaftes
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