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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Autoren: Charles Darwin
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mit Hilfe wohlentwickelter Kiemen zu atmen hat.
    Nichtgebrauch, zuweilen von natürlicher Zuchtwahl unterstützt, führt oft zur Verkümmerung eines Organes, wenn es bei veränderter Lebensweise oder unter wechselnden Lebensbedingungen nutzlos geworden ist, und man bekommt auf diese Weise eine richtige Vorstellung von der Bedeutung rudimentärer Organe. Aber Nichtgebrauch und natürliche Zuchtwahl werden auf jedes Geschöpf gewöhnlich erst wirken, wenn es zur Reife gelangt ist und selbständigen Anteil am Kampfe um’s Dasein zu nehmen hat. Sie werden so nur wenig über ein Organ in den ersten Lebensaltern vermögen; daher wird ein Organ in solchem frühen Altern nicht verringert oder verkümmert werden. Das Kalb z. B. hat Schneidezähne, welche aber im Oberkiefer das Zahnfleisch nie durchbrechen, von einem frühen Urerzeuger mit wohlentwickelten Zähnen geerbt, und wir können annehmen, dass diese Zähne im reifen Tiere während vieler aufeinander folgender Generationen durch Nichtgebrauch reduziert worden sind, weil Zunge und Gaumen oder die Lippen zum Abweiden des Futters ohne ihre Hilfe durch natürliche Zuchtwahl ausgezeichnet hergerichtet worden sind, während im Kalbe diese Zähne nicht beeinflusst und nach dem Prinzip der Vererbung auf gleichen Altersstufen von früher Zeit an bis auf den heutigen Tag so vererbt worden sind. Wie ganz unerklärbar ist es nach der Annahme, dass jedes organische Wesen mit allen seinen einzelnen Teilen besonders erschaffen worden sei, dass Organe, welche so deutlich das Gepräge der Nutzlosigkeit an sich tragen, wie diese nie zum Durchbruch gelangenden Schneidezähne des Kalbs oder die verschrumpften Flügel unter den verwachsenen Flügeldecken so mancher Käfer, so häufig vorkommen! Man könnte sagen, die Natur habe Sorge getragen, durch rudimentäre Organe, durch embryonale und homologe Gebilde uns ihren Abänderungsplan zu verraten, welchen zu erkennen wir aber zu blind sind.
    Ich habe jetzt die hauptsächlichsten Tatsachen und Betrachtungen wiederholt, welche mich zur festen Überzeugung geführt haben, dass die Arten während einer langen Descendenzreihe modifiziert worden sind. Dies ist hauptsächlich durch die natürliche Zuchtwahl zahlreicher, nach einander auftretender, unbedeutender günstiger Abänderungen bewirkt worden, mit Unterstützung in bedeutungsvoller Weise durch die vererbten Wirkungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs von Teilen, und, in einer unbedeutenden Art, d. h. in Bezug auf Adaptivbildungen, gleichviel ob jetzt oder früher, durch die direkte Wirkung äußerer Bedingungen und das unserer Unwissenheit als spontan erscheinende Auftreten von Abänderungen. Es scheint so, als hätte ich früher die Häufigkeit und den Wert dieser letzten Abänderungsformen unterschätzt, als solcher, die zu bleibenden Modifikationen der Struktur unabhängig von natürlicher Zuchtwahl führen. Da aber meine Folgerungen neuerdings vielfach falsch dargestellt worden sind und behauptet worden ist, ich schreibe die Modifikation der Spezies ausschließlich der natürlichen Zuchtwahl zu, so sei mir die Bemerkung gestattet, dass ich in der ersten Ausgabe dieses Werkes, wie später, die folgenden Worte an einer hervorragenden Stelle, nämlich am Schlusse der Einleitung aussprach: »Ich bin überzeugt, dass natürliche Zuchtwahl das hauptsächlichste wenn auch nicht einzige Mittel zur Abänderung der Lebensformen gewesen ist.« Dies hat nichts genützt. Die Kraft beständiger falscher Darstellung ist zäh; die Geschichte der Wissenschaft lehrt aber, dass diese Kraft glücklicherweise nicht lange anhält.
    Es kann kaum vermutet werden, dass eine falsche Theorie die mancherlei großen Gruppen der oben aufgezählten Tatsachen in so zufriedenstellender Weise erklären würde, wie meine Theorie der natürlichen Zuchtwahl es thut. Es ist neuerdings entgegnet worden, dass dies eine unsichere Weise zu folgern sei; es ist aber dieselbe Methode, welche man bei Beurteilung der gewöhnlichen Ergebnisse im Leben anwendet, und welche häufig von den größten Naturforschern angewendet worden ist. Auf solchen Wegen ist man zur Undulationstheorie des Lichts gelangt, und die Annahme der Drehung der Erde um ihre eigene Achse war bis vor Kurzem kaum durch irgend einen direkten Beweis unterstützt. Es ist keine triftige Einrede, dass die Wissenschaft bis jetzt noch kein Licht über das viel höhere Problem vom Wesen oder dem Ursprung des Lebens verbreite. Wer vermöchte zu erklären, was das Wesen
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