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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Hannah Siebern
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lächerlich, Laney“, gab die ältere Frau zurück. „Ich kann doch kein Menschenblut sehen.“
    „Wie bitte?“
    Ungläubig sah Laney Anisia an.
    „Nein, wirklich. Ich dachte, du wüsstest das. Kunstblut ist kein Problem, aber Menschenblut … Da verliere ich völlig die Kontrolle. Es ist schlimm. Als wäre ich nie aus den Babyschuhen herausgekommen. Ich schätze, selbst Mady kann sich besser zusammenreißen, als ich.“
    „Nun … Ich schätze, jeder hat seine Schwächen“, sagte Laney ausweichend.
    „Ach wirklich? Und was ist deine?“
    Laney zögerte.
    „Meine Familie würde ich sagen. Sie fehlen mir sehr. Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke. Für meine Familie würde ich praktisch alles tun.“
    Anisia nickte wissend.
    „Das verstehe ich“, sagte sie. „Aber ich hoffe für dich, dass das niemals notwendig sein wird. Denn ‚alles‘ ist manchmal sehr viel mehr, als man erwartet.“
    Zufrieden lief Johanna zwischen den Feiernden umher. Die meisten Dorfbewohner waren glücklicherweise nicht verletzt. Und alle, die es schlimmer erwischt hatte, schliefen inzwischen.
    Johanna konnte sich nicht daran erinnern, wann sie ihr Dorf das letzte Mal so ausgelassen und fröhlich erlebt hatte. Alle schienen glücklich zu sein. Die Kinder lachten, die Jungvampire tanzten und die Alten lagen sich selig in den Armen.
    Es gab nur einen einzigen Dorfbewohner, der unglücklich zu sein schien. Und das war Gandolf.
    „Er hätte mich mitnehmen sollen“, weinte der alte Mann. „Er ist ins Paradies gegangen und hat mich einfach hiergelassen.“
    Mitfühlend legte Johanna Gandolf eine Hand auf die Schulter.
    „Oh, nicht doch“, sagte sie. „Der Dämon ist nicht im Paradies. Es sei denn, das Paradies ist ein Ort mit ganz viel Feuer und ewigen Qualen. Dann möchte ich dort allerdings auch nicht hin.“
    Kopfschüttelnd sah Gandolf sie an.
    „Er ist fort“, wiederholte er untröstlich. „Mein Herr und Meister ist fort.“
    Johanna verdrehte die Augen und wandte sich dann wieder den Feiernden zu. Sie lächelte, als sie Darrek und Laney am Rande des Geschehens erkannte. Die beiden standen stumm nebeneinander, ohne sich zu berühren, und beobachteten das Treiben, anscheinend ohne die Anwesenheit des anderen auch nur wahrzunehmen. Aber zwischen ihnen gab es eine Anziehungskraft, die beinah greifbar wirkte. Sie schienen das perfekte Paar zu sein und ergänzten einander ideal. Schwarz und weiß. Hell und dunkel. Yin und Yang.
    Trotz der kurz geschorenen Haare sah Laney an diesem Morgen wunderschön aus. Ihre feinen Gesichtszüge, die vollen Lippen und die dunklen Augen. Nichts von alledem hatte sich durch die Strafe verändert. Und vielleicht würde die neue Frisur es Darrek sogar erleichtern, endlich von seiner Erinnerung an Kara abzulassen. Johanna wusste, dass Laney ihn fortwährend an seine Cousine erinnert hatte. Doch das war nun vorbei. Die fehlenden Haare zwangen ihn dazu, Laney als eigenständiges Individuum zu betrachten, und sie sorgten dafür, dass er sich mit seinen Gefühlen für sie auseinandersetzte, anstatt nur einem Traum hinterherzujagen.
    Johanna war unendlich dankbar, dass Darrek das Dorf letztendlich doch nicht im Stich gelassen hatte. Er hatte sich zwar sehr viel mehr Zeit genommen als nötig gewesen wäre. Aber er war gekommen. Und das war die Hauptsache. Er hatte sein Versprechen gehalten. Und daher wurde es nun auch Zeit, dass sie ihres hielten.
    Johanna trat zu den Musikern und gab ihnen ein Zeichen, mit dem Spielen aufzuhören. Irritiert hörten auch die Tänzer auf zu tanzen und innerhalb kürzester Zeit waren alle Blicke auf Johanna gerichtet.
    „Meine Freunde“, begann sie mit lauter und kräftiger Stimme. „Heute ist ein Freudentag. Nach zwanzig Jahren der Tyrannei wurden wir endlich von der Heimsuchung des Dämons befreit. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.“
    Die Dorfbewohner jubelten begeistert und klatschten in die Hände. Jeder, der sich auf den Beinen halten konnte, war dabei und auch die Kinder johlten und lachten.
    „Der Dank dafür geht einmal an unsere Kinder, weil sie mutig genug waren, dem Dämon die Stirn zu bieten, nachdem wir anderen schon den Mut verloren hatten.“
    Alle klatschten begeistert.
    „Und an unsere beiden Besucher: Darrek und Laney. Denn ohne ihre Hilfe hätten wir es nicht geschafft.“
    Johanna zeigte auf ihren Bruder und seine Begleiterin, denen die Aufmerksamkeit sichtlich unangenehm war. Doch die Dorfbewohner jubelten weiter und störten
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