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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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kundtat.
    Aber wie fast immer war nicht von der Hand zu weisen, was sie sagte, gestand er sich zähneknirschend ein.
    Also sah Otto bedauernd zu Dietrich und hob die Arme. »Meinetwegen. Tu dem Kaiser den Gefallen und liefere ihm das Schauspiel, das er braucht, um den Löwen zu ächten, ohne ihm einen langwierigen Prozess zu machen, wovor er sich offenbar scheut.« Er gab ein kurzes, großspuriges Lachen von sich. »Und sollte der Bastard es doch wagen, die Herausforderung anzunehmen – stopf ihm ein für alle Mal sein großes Maul und hau ihn in Stücke. Meinen Segen hast du.«
    »Und meinen dazu«, dröhnte der fette Graf von Groitzsch.
     
    Dietrich hatte richtig vermutet. Hedwig wartete in der Kathedrale auf ihn. Scheinbar ins Gebet versunken, kniete sie vor einem der Seitenaltäre. Doch als sie ihn sah, bekreuzigte sie sich, stand auf und ging hinaus. Kurz vor dem Ausgang ging er an ihr vorbei und flüsterte ihr, von allen anderen unbemerkt, etwas zu.
    Getrennt verließen sie den Dom.
    Wenig später betrat Hedwig Dietrichs Quartier. Sie war in einen unscheinbaren Umhang gehüllt, die Kapuze verbarg ihr blondes Haar und ihr Gesicht.
    Er hatte dafür gesorgt, dass niemand sie kommen sah, führte sie rasch in seine Kammer und ging noch einmal kurz hinaus, um seinem treuesten Gefolgsmann Anweisung zu geben, vor der Tür zu wachen und auf keinen Fall jemanden zu ihm zu lassen. Er wusste, es war sträflicher Leichtsinn, sich hier und nicht an einem verborgenen Ort mit Hedwig zu treffen. Aber sie waren beide bereit, jedes Risiko auf sich zu nehmen. Sie konnten nicht bis morgen warten, wo er für sie bereits ein verschwiegenes Wirtshaus ausfindig gemacht hatte. Denn von dem Moment an, in dem er seine Herausforderung öffentlich machte, würden sich alle Blicke auf ihn richten.
    Und Hedwigs derzeitige Abwesenheit war erklärt. Kirchen gab es genug in dem reichen Magdeburg, in denen sie sein mochte, wenn man sie nicht im Dom fand. Zumal Otto jetzt in seinem Zorn kaum nach ihr suchen lassen würde.
    Wie jedes Mal stürzten sie aufeinander zu, nachdem er die Tür hinter sich verriegelt hatte. Dietrich wollte etwas sagen, aber sie legte ihre Hand auf seine Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen, und küsste ihn leidenschaftlich.
    Er hatte ihren todtraurigen Gesichtsausdruck nicht vergessen, der ihn bei Ludmillus’ Spiel so betroffen gemacht hatte. Deshalb zügelte er seine Begierde, so schwer es auch fiel, und begann, sie sanft zu liebkosen … wie damals, als sie zum ersten Mal zueinandergefunden hatten.
    Die Frage, ob der Zweikampf stattfinden und er überleben würde, war auf einmal in weite Ferne gerückt. Jetzt wollte er seiner Geliebten wenigstens für ein paar kurze, gestohlene Augenblicke die Verzweiflung nehmen.
    Mit geschickten Griffen entkleidete er sie, während seine Lippen über ihren Hals und ihre Schultern glitten. Sie stöhnte auf, als er mit sanften Händen ihre Brüste liebkoste, und zog ihn fordernd an sich.
    Dietrich war ein erfahrener Liebhaber und wusste, dass Hedwig erst durch ihn viele Zärtlichkeiten kennengelernt, nach fünfzehn Jahren Ehe bei ihm zum ersten Mal wahre Verzückung erlebt hatte – sprachlos vor Staunen, dass es so etwas gab. Sie war eine gelehrige und phantasievolle Geliebte geworden. Doch diesmal wehrte er ihr stürmisches Begehren ab. Er legte sie aufs Bett und begann, ihren nackten Leib so zart zu berühren, dass sie seine Fingerspitzen kaum spürte und Schauer um Schauer durch ihren Körper rann. Sie sollte alles vergessen bis auf ihr Verlangen, während er jeden Zoll ihrer Haut mit Küssen bedeckte.
    Dann aber war auch ihm alles andere gleichgültig – der Kaiser, das Gottesurteil, die Gefahr, dass sein Bruder sie entdeckte, und wer die Markgrafschaft nach seinem Tod bekam. Jetzt wollte er nur noch eines: im Schoß seiner Geliebten zu versinken, am liebsten auf alle Zeit.

Bruderzwist
    »Gibt es noch jemanden hier, der eine Klage vorzubringen hat?«
    Beinahe gelangweilt blickte der Kaiser in die Runde der prachtvoll gekleideten weltlichen und geistlichen Fürsten, die sich in der Residenz des Magdeburger Erzbischofs versammelt hatten. Nichts in seiner Stimme ließ erkennen, dass sich gleich mit seinem Wissen und auf seinen Befehl etwas Unerhörtes ereignen würde, von dem die Menschen wohl noch in Jahren oder gar Jahrzehnten reden würden.
    Für einen Augenblick herrschte gespannte Stille in dem großen, verschwenderisch mit Schnitzereien und Wandbehängen geschmückten
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