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Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)

Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)

Titel: Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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subtileren Ansatzes, womit wir zu unserer zweiten Möglichkeit kommen.
    2. Die spontane Symmetriebrechung: Dabei sorgt man dafür, dass sich die Symmetrie unter gewissen Umständen quasi selbst bricht. Zunächst ein einfaches Beispiel für das Prinzip dieses Konzepts: Wenn Sie einen dünnen Plastikstreifen zwischen Daumen und Zeigefinger halten, ist er gerade und präferiert keine Richtung. Damit besitzt er Symmetrie. Erhöhen Sie nun den Druck auf den Plastikstreifen, indem Sie beginnen, ihn zusammenzudrücken, so wird er sich in eine Richtung beugen. Obwohl der Plastikstreifen also anfänglich symmetrisch war, biegt er sich bei ausreichendem Druck in eine Richtung und »bricht« damit seine Symmetrie. Wenn Sie den Druck wieder reduzieren, so wird er wieder in seine symmetrische Form zurückkehren.
    Gleiches gilt für einen Kreisel, der im hochenergetischen Zustand eine symmetrische Drehung ausführt. Nach einiger Zeit hat er durch seine Reibung jedoch so viel Energie verloren, dass er zu taumeln beginnt, zur Seite fällt und damit seine Symmetrie bricht.
    Symmetriebrechung im Magnetismus
    Ein weiteres Phänomen, an dem man die spontane Symmetriebrechung gut beobachten kann, ist der Magnetismus: Er hat seine Ursache darin, dass jedes Elektron ein intrinsisches magnetisches Moment (Spin) besitzt, als würde es einen kleinen Stabmagneten mit sich herumtragen. In den meisten Atomen heben sich die Effekte dieser vielen kleinen Stabmagneten so auf, dass nach außen hin kein effektives magnetisches Feld wirkt. Doch in einigen Atomsorten sind die Elektronenkonfigurationen so günstig, dass der »Effekt der kleinen Stabmagneten« nach außen hin deutlich wahrnehmbar erhalten bleibt. Hierbei spricht man von ferromagnetischen, also magnetisierbaren Materialien. Liegt die Temperatur oberhalb einer gewissen, als Curietemperatur bezeichneten Schwelle (für Eisen liegt die Curietemperatur bei 768 °C), so besitzt jedes Elektron genug Energie, um ganz eigensinnig mit seinem Stabmagneten in jede beliebige Richtung zu deuten, ohne Rücksicht auf die anderen umliegenden Elektronen. Senkt man die Energie nun unter die Schwelle der Curietemperatur ab, so verfügt jedes einzelne Elektron über immer weniger Energie. Die Elektronen »merken« nun, dass sie dieses Weniger an Energie gut kompensieren können, indem sie sich in kleinere Grüppchen aufteilen, die mit ihren Stabmagneten jeweils in die gleiche Richtung zeigen. Aus unserem etwas eigensinnigen Elektron wird nach Unterschreiten dieser Temperaturschwelle nun ein wahres Herdentier. Die so gebildeten, scharf voneinander abgetrennten Bereiche gleicher Elektronenausrichtung nennt man Weis’sche Bezirke. Bedauerlicherweise richten sich diese untereinander so aus, dass sich auf größeren Längenskalen noch kein ganzer Stabmagnet ergibt. Dafür muss man noch ein wenig nachhelfen. Richtet man von Hand durch Anbringen eines magnetischen Feldes alle Weis’schen Bezirke in die gleiche Richtung aus, so entsteht ein Stabmagnet.
    Aus dem Wirrwarr von vielen einzelnen Teilchen ergibt sich nun eine ausgezeichnete Richtungsachse mit Nordpol und Südpol. Durch dieses Magnetfeld ist der Raum beziehungsweise die Bewegung im Raum nicht mehr symmetrisch in alle Raumrichtungen. Der Magnet hat also die Raumsymmetrie gebrochen. Oberhalb der Curietemperatur ist dieses Ausrichten nicht möglich. Erst mit abnehmender Energie und fallender Temperatur kann eine Richtung bevorzugt werden. Dieses faszinierende Konzept der spontanen Symmetriebrechung können wir nun im Rahmen der Quantenfeldtheorie auf unser Standardmodell anwenden.
    Das Higgs-Feld und seine Dynamik
    Im modernen physikalischen Weltbild wird die Frage nach der Herkunft der Masse mit dem Modell von einem Mechanismus beantwortet, der seit dem Urknall überall im Universum vorhanden ist und in unterschiedlichem Maße auf unterschiedliche Teilchen einwirkt. Dieser Mechanismus wird als Feld bezeichnet. So wie ein elektrisches Feld im Raum elektrische Kräfte vermittelt, so kann man sich das Higgs-Feld wie ein »Kraft«-Feld vorstellen, das Teilchen Masse verleihen und sie in gewissem Sinne abbremsen, also eine Art Reibungskraft bewirken kann. Unterschiedliche Teilchen erhalten durch dieses Feld unterschiedliche Massen; manche Teilchen jedoch wechselwirken nicht mit dem Higgs-Feld – wie das Photon – und sind deswegen masselos.

    Abbildung 23: Die Kugel will ihre Energie minimieren.
    © Philip Tanedo, www.quantumdiaries.org
    Zur Erinnerung: Würde
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