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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition)
Autoren: Christian Buder
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scharfen Stücke aus dem Rahmen geschlagen hatte, dann kroch sie hinein. Sie stieg auf die Kloschüssel. Von innen entriegelte sie die Haustür.
    Im Bad fanden sie die Kriminalpsychologin, die sich um den traumatisierten Jungen kümmern wollte, der gerade seinen Vater verloren hatte. Sie saß mit heruntergelassener Hose auf der Toilette des großen Badezimmers. Die Badezimmertür ließ sich nicht von innen verriegeln, so dass Stephan sie wohl mitten in ihrem Geschäft erwischt hatte. Ihre rechte Hand hing schlaff herunter, in der linken hielt sie Klopapier zwischen ihren Beinen. Ihre Haare waren klebrig, getrocknetes Blut in ihrem Nacken. Im Waschbecken lag eine schwere Holzstatue, eine Eule, auf deren Sockel Minerva geschrieben stand. Minerva war die Schutzgöttin der Dichter und Lehrer. Es war kein Zufall, dass sie zugleich die Göttin der Weisheit, der Kunst, die Hüterin des Wissens und die Göttin der taktischen Kriegsführung war. In erster Linie war sie einfach ein schwerer Gegenstand,den Stephan zur Hand hatte, als er im Bad die Psychologin überraschte.
    Engelhardt fühlte ihren Puls. Die Psychologin lebte. Er rief einen Krankenwagen und gab gleichzeitig eine Fahndung nach Stephan Lehmko durch.
    Alices Vater und Engelhardt legten die junge Frau vorsichtig auf den Boden und zogen ihr die Hose hoch.
    »Was für ein gestörtes Schwein!«, entfuhr es Engelhardt.
    »Wir müssen Amalia finden … bevor es zu spät ist.«
    Sie teilten sich auf. Die beiden Männer suchten die oberen Stockwerke ab. Alice nahm sich das Erdgeschoss vor, obwohl ihr Vater sie aufgefordert hatte, bei der verletzten Kriminalpsychologin zu bleiben. Und wenn Lehmko hier irgendwo auf sie wartete? Es war unwahrscheinlich, dass er den Weg vom Krankenhaus schneller geschafft hatte. Zudem wusste er, dass man ihn hier erwartete. Doch wer konnte schon in den Kopf eines Ted Bundy oder eines Stephan Lehmko schauen?
    Alice erreichte die Tür zum Keller. Stephan hatte ihr den Keller zeigen wollen. Ja, er war sich so sicher gewesen, Alice in die Falle locken zu können. Wie eine Spinne, die geduldig in der Mitte ihres Netzes wartete.
    Der Kellerabgang war dunkel. Der Geruch von Äpfeln und feuchten Säcken und von etwas anderem, das Alice nicht identifizieren konnte, lag in der Luft. Ein Drehschalter ließ in der Tiefe eine Glühbirne aufleuchten. Es war unglaublich! Stephan hatte Amalia verführt. Er hatte sich mit ihr am selben Tag getroffen, als sein Vater versuchte hatte, Alice aus dem Weg zu schaffen. Adibert Lehmko wusste, dass Alice früher oder später Stephan auf die Spur gekommen wäre. Sie war eine Gefahr.
    Wenn er sein Kind schützen wollte, dann schützte er auch gleichzeitig einen Serienmörder. Es war die Logik eines Raubtiers.Ob Adibert Lehmko deshalb die Wirklichkeit korrigieren musste, um seinem Sohn die geheime Existenz eines Raubtiers zu ermöglichen? Die Antwort darauf kannte vielleicht nicht einmal Adibert Lehmko selbst. Adibert Lehmko war zu dem geworden, was sein Sohn aus ihm gemacht hatte. Konnte jemand sein Kind so sehr lieben, dass er ihm alles verzieh und es um jeden Preis beschützte? Das Gewissen musste ihn geplagt haben, sonst hätte er nicht den Beistand von Pfarrer Bez gesucht. Geteiltes Wissen war leichter zu tragen, und Bez trug die letzten Jahre das dunkle Wissen Hinterecks.
    Der Geruch verstärkte sich, als Alice die letzte Stufe der Kellertreppe erreicht hatte. Pfützen standen auf dem unebenen Boden. Der Keller war ein Labyrinth aus Verschlägen. Nackte Glühbirnen warfen ein gelbes Licht in die staubige Luft. Alice bog um eine Ecke, und kurz glaubte sie, dass ihr Herz aussetzte. Nur ein Stuhl stand in der Mitte des Verschlags, und auf dem Stuhl hockte eine geknebelte Gestalt, die sich offenbar lange nicht gewaschen hatte. Es war Amalia. Ihre Hände waren mit Draht auf dem Rücken gefesselt. Unter ihrem Stuhl hatte sich eine Urinlache gebildet. Doch was Alice noch mehr als alles anderes schockierte, waren Amalias Haare. Sie waren komplett geschoren wie auf den Bildern, die Alice von der Befreiung Auschwitz’ gesehen hatte. Kahlgeschorene Skelette mit toten Augen.
    Alice nahm Amalias Hände und drehte den Draht vorsichtig auf. Kaum waren die Fesseln gelöst, kippte ihre Schwester nach vorn. Alice konnte sie gerade noch halten. Sie war zu schwer, um sie allein nach oben zu bringen. Amalia öffnete die Augen. Dann griff Alice ihrer Schwester unter den Arm, und sie gingen die ersten Schritte, bis sie die Treppe
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