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Die Eisprinzessin schläft

Die Eisprinzessin schläft

Titel: Die Eisprinzessin schläft
Autoren: Camilla Läckberg
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stellte die Einkaufsbeutel auf den Küchentisch und begann die Lebensmittel auszupacken. Trotz aller guten Vorsätze waren die Tüten nicht mit so viel gesunden Dingen gefüllt, wie sie geplant hatte, bevor sie in den Laden ging. Aber wenn sie sich selbst an einem derart fürchterlichen Tag nicht ein paar Leckerbissen gönnen konnte, ja wann denn dann? Wie auf Bestellung knurrte ihr Magen, und sie legte wohl an die zwölf rote Weightwatcher-Punkte in Form zweier Zimtschnecken auf einen Teller und genehmigte sich das Ganze zusammen mit einer Tasse Kaffee.
    Es war ein schönes Gefühl, hier zu sitzen und die wohlbekannte Aussicht aus dem Fenster zu genießen, doch an die Stille des Hauses hatte sie sich noch immer nicht gewöhnt. Zwar hatte sie auch früher manchmal allein daheim gesessen, aber das war nicht dasselbe gewesen. Da spürte man die Anwesenheit, man war sich bewußt, daß jeden Moment jemand zur Tür hereinkommen konnte. Jetzt aber war es, als hätte das Haus seine Seele verloren.
    Am Fenster lag Vaters Pfeife und wartete darauf, mit Tabak gestopft zu werden. In der Küche hing der Pfeifengeruch noch in der Luft, doch Erica fand, daß er mit jedem Tag schwächer wurde. Sie hatte diesen Geruch immer geliebt. Als sie klein war, saß sie oft auf Vaters Schoß, legte den Kopf an seine Brust und hielt die Augen geschlossen. Der Rauch hatte sich in seiner Kleidung festgesetzt, und in ihrer Kinderwelt hatte dieser Geruch immer Geborgenheit bedeutet.
    Ericas Verhältnis zur Mutter war unendlich komplizierter gewesen. Ihr fiel keine einzige Gelegenheit ein, bei der die Mutter ihr, dem Kind, mit Zärtlichkeit begegnet war. Keine Umarmung, kein Streicheln, kein Wort des Trostes. Elsy Falck war eine harte, unversöhnliche Frau gewesen, die ihr Zuhause in tadellosem Zustand hielt, sich aber nie gestattete, über irgend etwas im Leben Freude zu empfinden. Sie war tief religiös, und wie so viele andere Bewohner der Küstenorte von Bohuslän war sie in einer Gesellschaft aufgewachsen, die noch immer von den Lehren des Pastors Schartau geprägt war. Die Mutter hatte von klein auf lernen müssen, daß das Leben ein einziges langes Leiden war und man die Belohnung erst im Leben danach erhielt. Erica hatte sich oft gefragt, was der Vater, der so gutmütig und humorvoll war, an Elsy gefunden hatte, und einmal, als Teenager, hatte sie ihm die Frage im Zorn an den Kopf geworfen. Er war nicht böse geworden, sondern hatte sich nur hingesetzt und ihr den Arm um die Schulter gelegt. Dann hatte er gesagt, sie solle ihre Mutter nicht so hart verurteilen. Manchen Menschen falle es schwerer als anderen, ihre Gefühle zu zeigen, erklärte er und strich ihr über die Wangen, die noch immer vor Wut gerötet waren. Sie hatte damals nicht zugehört und war noch heute überzeugt, daß er nur die Tatsache bemänteln wollte, die für Erica offensichtlich war: Ihre Mutter hatte sie nie geliebt, und das war etwas, was sie den Rest des Lebens mit sich herumschleppen mußte.
    Erica beschloß, ihrer Intuition zu folgen und Alexandras Eltern aufzusuchen. Eine Mutter oder einen Vater zu verlieren war schwer, doch entsprach das dennoch einer gewissen natürlichen Ordnung. Ein Kind zu verlieren mußte entsetzlich sein. Außerdem waren Alexandra und sie sich früher einmal so nahe gewesen, wie es zwei Busenfreundinnen nur sein konnten. Auch wenn das jetzt schon lange zurücklag, so war doch ein großer Teil ihrer fröhlichen Kindheitserinnerungen eng mit Alex und ihrer Familie verknüpft.
     
    Das Haus wirkte verlassen. Alexandras Tante und ihr Onkel wohnten in der Tallgatan, auf halbem Weg zwischen Fjällbackas Zentrum und dem Campingplatz von Sälvik. Die Häuser lagen hoch am Hang, und die Rasenflächen fielen steil zur Straße ab, auf jener Seite, die zum Wasser wies. Der Eingang befand sich auf der Rückseite des Hauses, und Erica zögerte, bevor sie läutete. Das Klingelzeichen ertönte und erstarb dann. Kein Laut war von innen zu hören. Sie wollte gerade kehrtmachen, als die Tür langsam aufging.
    »Ja?«
    »Guten Tag, ich bin Erica Falck. Ich war es, die .«
    Sie ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. Es war idiotisch, sich so formell vorzustellen. Alex’ Tante Ulla Persson wußte sehr wohl, wen sie vor sich hatte. Ericas Mutter und Ulla waren viele Jahre zusammen im Kirchenverein aktiv gewesen, und an manchen Sonntagen war Ulla auf eine Tasse Kaffee mit zu ihnen gekommen.
    Jetzt trat sie zur Seite und ließ Erica in den Flur. Im Haus
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