Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
ständige Auf und Ab, das ihn trunken machte, oder litt er noch immer an den Folgen des überreichlich genossenen Weines?
    Der Aufenthalt in Leone, der »Insel des Löwen«, hatte lange gedauert – zu lange für einen rastlosen Barden, dem die Wanderlust im Blut steckte. Burunas Gedanken schweiften ab; sie suchte sich zu erinnern, was in den letzten Wochen vorgefallen war.
    *
    Innerhalb weniger Tage war Mythor entlang der Straße des Bösen weit nach Süden geritten. Die Landschaft, durch die er kam, wurde immer fremdartiger. Des Tags glühte der Himmel in einem unwirklichen Rot, gleich dem Schein einer fernen Feuersbrunst; während der Nacht lockte ein Silberstreif am Horizont. Der Helm der Gerechten wies ihm den Weg, führte ihn sicher durch einen Urwald, himmelan wachsender Pflanzen. Aber allmählich kam Finsternis auf und überzog das Land mit dem Hauch des Bösen. Seine Tiere warnten Mythor davor, weiter ins Unbekannte vorzudringen. Er achtete nicht auf sie, sondern folgte Luxons Spur, der ihm am Baum des Lebens zuvorgekommen war.
    Und dann schossen Lianen aus dem dichten Laubwerk herab. Wie Schlangen wickelten sie sich um seinen Körper, rissen ihn aus dem Sattel. Pandor wieherte erschreckt auf und stob davon. Unfähig, sich zu bewegen, musste Mythor es geschehen lassen, dass mannsgroße, grell gefärbte Blütenkelche sich ihm entgegenstülpten. Ein flüchtiger Blick in ihr Inneres zeigte ihm die bleichen Skelette unzähliger kleiner Tiere.
    Eine fleischfressende Pflanze…
    Der Sohn des Kometen bäumte sich auf, suchte verzweifelt, der tödlichen Umschlingung zu entkommen. Aber die Lianen zogen sich nur noch fester und pressten ihm die Luft aus den Lungen. Ihm wurde schwarz vor Augen.
    Als er wieder zu sich kam, tasteten schleimige Blütenblätter über seinen Körper. Von irgendwo jenseits des dichten Laubdaches erklangen Flügelschlag und der heisere Schrei des Schneefalken. Doch Horus konnte nicht helfen. Ein höllisches Brennen zog sich durch Mythors Beine, strahlte bis in seinen Brustkorb aus und in die Arme.
    Fast völlige Dunkelheit umfing den Kämpfer des Lichts. Beizender Gestank, der ihm entgegenschlug, nahm ihm den Atem und ließ seine Augen tränen. Eine zähe, klebrige Flüssigkeit tropfte auf ihn herab. Mythor bäumte sich auf, schlug um sich. Aber seine Fäuste trafen nur zähes, schwammiges Gewebe, das ihnen auszuweichen schien. Endlich gelang es ihm, Alton aus dem Gürtel zu ziehen. Kaum in der Lage, das Schwert zu halten, führte er einen Streich gegen die Wandung seines Gefängnisses. Zischend drang die Klinge durch die Blütenblätter…
    Ein dröhnendes Pochen wurde laut. War es sein Herzschlag, der ihm die Schläfen zu zersprengen drohte?
    Mythors Arm fiel kraftlos zurück.
    Da war es wieder. Drängender diesmal – ungeduldig. Jemand schlug mit der Faust gegen eine Tür.
    Abrupt verschwand alles, was eben noch bedeutend gewesen. Buruna blinzelte, sah über sich eine weiß getünchte Decke, nicht den undurchdringlichen Wald, und verstand. Mit einem erschreckten, heiseren Ausruf schwang sie sich von ihrem Lager. Der Alptraum wich nur zögernd von ihr.
    »Wer ist da?« rief sie mit zitternder Stimme.
    »Ich bin es, Lamir. Mach auf, Buruna, schnell!«
    »Mitten in der Nacht? Viliala wird mir die Augen auskratzen, wenn sie davon erfährt.«
    »Ich flehe dich an, öffne! Es geht um Leben und Tod.«
    »Mythor?« platzte sie heraus. »Sag, ist ihm etwas zugestoßen?«
    Zögern. Dann, um vieles hastiger: »Ich weiß es nicht; ich habe keine Kunde vom Kometensohn. Aber ich weiß sehr wohl, was geschehen wird, wenn du mich nicht sofort einlässt. Viliala wird nicht dir die Augen auskratzen, sondern mir, und das mit einer Gründlichkeit, die mich schaudern macht.«
    »Es sei denn.« Laut seufzend erhob sich Buruna und schob den schweren hölzernen Riegel zur Seite.
    Lamir stieß die Tür mit einer solchen Hast auf, dass die Liebessklavin zurückgeschleudert wurde und auf ihr Lager fiel. Kopfschüttelnd sah sie ihm zu, wie er den Riegel wieder vorlegte.
    »Du Narr«, murmelte sie.
    »Ja«, der Barde wandte sich zu ihr um, »du magst recht haben, ein Narr, das bin ich. Aber dich allein trifft die Schuld an meinem Verderben.« Seine Augen weiteten sich, als er Buruna anblickte.
    Erst jetzt wurde sie sich ihrer völligen Nacktheit bewusst. Mit einer blitzschnellen Bewegung griff sie nach einem Tuch, mit dem sie notdürftig ihre Blößen bedeckte. »Ist es gar zu Ende zwischen dir und der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher