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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Autoren: Jessica Khoury
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Manaus?«
    Er hat mir den Rücken zugewandt und ich sehe, wie er die Schultern anspannt. Als er sich umdreht, setze ich meine entschlossenste Miene auf. »Stimmt es, dass man durch Manaus muss, wenn man irgendwo anders hin möchte?«
    Er schaut sich um, doch niemand sonst hat meine Frage gehört. Er beugt sich zu mir und bringt sein dunkles Gesicht dicht an meines. »Stell mir nicht solche Fragen, Pia. Du weißt, dass es gegen die Regeln verstößt. Willst du, dass ich Schwierigkeiten bekomme?«
    Ich runzle die Stirn und Alai neben mir stellt die Nackenhaare auf. »Ich werde niemandem verraten, dass du es mir gesagt hast. Komm schon, Onkel Tim! Ich kenne mich aus mit Protozoen und Mitochondrien und ich kann dir die Gattungsnamen und Artenbezeichnungen sämtlicher Tiere im Tierhaus herunterbeten, aber was mich wirklich interessiert, ist der Dschungel!«
    »Nein, Pia.« Er wendet sich ab und tut so, als müsse er ein paar Kisten verschieben.
    Ich schaue noch eine Weile zu, aber selbst die Aussicht auf weitere Skittles reizt mich nicht mehr. Der Anlieferungstag ist im Eimer. Mit Alai an meiner Seite verlasse ich das Lagerhaus. Ich bin wütend auf Onkel Tim, auf Mutter, auf Onkel Antonio und auf Dr. Tollpatsch, weil sie Manaus erwähnt hat.
    Die Regeln. Die bescheuerten Regeln, die seit mehr als dreißig Jahren in Kraft sind. Sie hängen fett gedruckt in der Lounge, damit sie auch ja niemand vergisst. Keine Bücher, Zeitschriften oder Filme von außerhalb, es sei denn, es handelt sich um wissenschaftliche Fachbücher, und selbst die werden von Onkel Paolo zensiert. Ich habe Biologiebücher, in denen ganze Absätze geschwärzt und Bilder unkenntlich gemacht wurden. Wenn Musik gespielt wird, dann nur instrumental, ohne Text. Niemand darf über die Außenwelt reden, zumindest nicht, wenn ich in der Nähe bin. Keine Landkarten. Kein Radio. Keine Fotos. Alles, was Onkel Paolo, der Leiter von Little Cam, als »schädlichen Einfluss« erachtet, wird konfisziert und irgendwo weggeschlossen, wahrscheinlich in Onkel Timothys Zimmer, bis der Besitzer der Gegenstände in Rente geht. Wenn das entsprechende Teil nicht schon vorher vernichtet wurde.
    Ich weiß, weshalb die Regeln aufgestellt wurden.
    Die Antwort liegt in zwei Worten: der Zwischenfall.

3
    Onkel Antonio versucht auf dem Laufband zu trainieren und gleichzeitig ein Blatt mit der Lernzielkontrolle zu studieren. Keine gute Idee, aber ich sage nichts. Wir sind für eine Mikrobiologiestunde in den Fitnessraum gegangen. Außer uns ist niemand da, was an einem frühen Nachmittag höchst selten ist, aber ich weiß, wo sie alle sind: Sie helfen dieser Harriet Fields sich einzuleben. Beim Abendessen gestern war sie das einzige Gesprächsthema und um ihren Tisch drängten sich die Wissenschaftler und wetteiferten darum, sie mit ihrem Wissen zu beeindrucken. Ich saß mit Mutter in einer Ecke, zwei Teller Thunfischsalat vor uns, und wir beobachteten alles mit finsterer Miene. Ich glaube, Mutter mag Dr. Tollpatsch genauso wenig wie ich.
    Onkel Antonios Stimme ist belegt vom Laufen. »Typhus wird übertragen durch Rick–«
    »Rickettsia prowazekii«, ergänze ich.
    Onkel Antonio drückt auf Stopp und läuft langsam aus. Er atmet schwer und auf seinem blauen T-Shirt sind mehr Schweißflecken als trockene Stellen. Nachdem er wieder zu Atem gekommen ist, meint er: »Das wollte ich nicht wissen, Chipmunk. Ich wollte wissen, welches Tier –«
    »Läuse. Pediculus humanus.« Ich erhöhe die Geschwindigkeit meines Laufbands etwas und passe meine Schrittlänge dem veränderten Tempo an.
    »Hey, wer ist hier der Lehrer?« Onkel Antonio stellt sich vor mein Laufband und wirft einen Arm über die Sicherheitsstange. Mit der anderen Hand umklammert er seine Wasserflasche, als halte nur sie ihn am Leben. Er schaut auf die digitale Anzeige und schüttelt den Kopf. »Du bist einfach phänomenal, Mädchen.«
    »Warum sind alle so aus dem Häuschen wegen der Neuen?«, frage ich. Meine Frage klingt alles andere als beiläufig. »Was ist so besonders an ihr?«
    Er hebt spöttisch die Augenbrauen. »Bist du etwa eifersüchtig, Chipmunk?«
    »Nein!«
    Sein amüsierter Ausdruck ärgert mich noch mehr.
    »Ich glaube doch. Du bist eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die sie bekommt.«
    »Bin ich nicht«, entgegne ich. »Ich will schließlich nicht, dass alle den ganzen Tag um mich herumtanzen.«
    »Nein?« Er setzt sich auf eine Hantelbank, die kein Mensch je benutzt. »Und doch ist es die übliche
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