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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.
Autoren: Alan Sillitoe
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- hab ich's nicht gesagt? -, und wenn ich ihn an der einzigen empfindlichen Stelle treffe, da weiß er, er kann mich unter Druck setzen, weil ich ihm den Pokal nicht gefischt hab, wo er schon seit ewigen Zeiten davon träumt, daß er sich am Ende des Nachmittags erhebt und mir auf die Schulter klopft, wenn ich den Pokal von Lord Ohrwurm oder irgend so einem kinnlosen Wunder mit einem derartigen Namen entgegennehme. Und so werde ich ihn treffen, wo's ziemlich weh tut, und er wird alles tun, um's mir zurückzuzahlen, Wurst wider Wurst, doch ich hab mehr davon, weil ich zuerst zuschlage und weil ich's länger geplant hab. Ich weiß nicht, wieso ich glaub, daß diese Gedanken besser sind als alle andren, die ich je hatte, aber ich glaub's eben, und mir ist auch egal, wieso. Vermutlich hab ich eine ganze Weile gebraucht, um mich überhaupt damit zu beschäftigen, weil ich in meinem ganzen Banditenleben keine Zeit und keine Ruhe dazu hatte, und jetzt kommen mir die Gedanken grade richtig; das einzig schlimme ist bloß, ich kann oft nicht aufhören damit, sogar wenn mir ist, wie wenn ich im Schädel einen Krampf, Frostschaden und schleichende Gehirnerweichung habe, alles auf einmal, und ihm eine Pause lassen muß, indem ich Hals über Kopf durch die Brombeersträucher runter auf den Hohlweg fliege. Und das ist noch ein Aufwärtshaken, den ich bei Leuten wie dem Direktor zuerst anbringe, um ihm wenn möglich zu zeigen, daß seine Wettrennen überhaupt nie gewonnen werden, obwohl immer irgendeiner ahnungslos als erster ankommt, und daß der Direktor am Ende verloren sein wird, doch Burschen wie ich werden die Überreste seiner gerösteten Knochen auflesen und wie Tollhäusler um seine Borstal-Ruinen tanzen. Und deshalb ist diese Geschichte wie der Wettlauf, und wieder mal werde ich keinen Sieger auf die Beine bringen, der dem Direktor paßt; nein, ich bin ehrlich, so wie er mich geheißen hat, ohne daß er wußte, was er meint, obwohl ich nicht annehme, daß er je mit einer eignen Geschichte ankommen wird, selbst wenn er meine hier liest und weiß, von wem die Rede ist.

    Ich komm grade aus dem Hohlweg rauf, zerstoßen und dornenzerkratzt. Knie und Ellbogen beschunden, und das Rennen ist zu zwei Dritteln gelaufen, da meldet sich in mir eine Stimme wie aus dem Radio und sagt, wenn du dich lange genug so wohl gefühlt hast wie der erste Mensch auf Erden an einem frostigen Morgen und wenn du mal erfahren hast, was es heißt, wenn's dir so schlecht geht wie dem letzten Menschen auf Erden an einem heißen Sommernachmittag, da kommst du dir schließlich vor wie der einzige Mensch auf Erden und scherst dich keinen Pfifferling um gut oder schlecht, sondern trabst einfach weiter mit deinen klappernden Schlappschuhen auf dem guten trocknen Boden, der dir wenigstens nie was Schlechtes antut. Jetzt kommen die Worte wie aus einem alten Detektorradio, das kaputtgegangen ist, und irgendwas ist unterm Rauhputz meiner Eingeweide los, das mich ärgert, und ich weiß nicht, wieso oder was dran schuld ist, ein Mahlen neben meinem Wecker, als ob bei mir drin ein Sackvoll verrosteter Schrauben lose war und ich die bei jedem Schritt durcheinanderschüttel. Ab und zu unterbrech ich meinen Rhythmus und schlag den rechten Arm quer über die Brust, um nach dem linken Schulterblatt zu greifen, als wollt ich das Messer wegreiben, das irgendwie dort drin steckt. Aber ich weiß, ich brauch mich darüber nicht aufzuregen, weil's höchstwahrscheinlich vom vielen Denken kommt, das ich hin und wieder für Sorge halte. Denn manchmal bin ich der größte Sorgenkrieger von der Welt, glaub ich (was ihr, wett ich, schon daran erkannt habt, daß ich die Geschichte hier rausbringe), was jedenfalls ganz komisch ist, weil meine Mama das Wort Sorgen nicht mal kennt und ich also nicht nach ihr komm; wohingegen Papa sein ganzes Leben lang schwere Sorgen hatte, bis er das Schlafzimmer mit heißem Blut überschwemmte und an jenem Morgen, wo keiner zu Hause war, abkratzte. Das werde ich nie vergessen, ganz bestimmt nicht, weil ich derjenige war, der ihn gefunden hat, und manchmal wünsch ich, ich wär's nicht gewesen. Auf dem Heimweg von einer Tour mit dem Obstautomaten in der Fischbratküche winkte ich mit meinen erbeuteten drei Zitronen einem totenstillen Haus, und sowie ich reintrat, wußte ich, hier stimmt was nicht; ich lehnte mich mit dem Kopf an den kalten Spiegel überm Kaminsims und versuchte, die Augen zuzubehalten, um meine steinkalte Visage nicht zu sehn - denn
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