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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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noch nicht beantwortet – oder sehe ich das falsch?“
    Er sah es völlig richtig. Ich wusste es ja auch nicht. Vielleicht gehörte auch dies zur perfiden Strategie von Schick / Petersen, der an mein Gewissen appellierte, mich moralisch nötigte, ihn das Päckchen nicht öffnen zu lassen, sondern sich damit zufrieden zu geben, seinen Inhalt zu kennen. Allerdings: Warum hatte er mir dann gesagt, dass die Originalverpackung schon geöffnet worden war? Zu viele Fragen, zu viele mögliche Antworten.
    „Niemand zwingt Sie, das Päckchen zu öffnen“, sagte ich also. „Auch der Rundumwohlfühl-Service der respektablen Firma Knallefix umfasst nicht die körperliche Versehrtheit ihrer Angestellten oder so.“ „Das find ich jetzt aber sehr lieb und sozial“, gab Petersen zurück. „Aber Sie kennen unsere Kundenphilosophie nicht. Die grenzt fast an Kadavergehorsam, verstehen Sie? Wir würden uns für unsere Kunden auch vierteilen, schänden oder ein paar Derivate der deutschen Bank andrehen lassen. Außerdem vertrauen wir auf die alte Weisheit, dass dort, wo Fotoapparat draufsteht auch Fotoapparat drin ist.“
    Ich überlegte, ob ich ihn an die CDU / CSU erinnern sollte, in der angeblich ja auch „Christlich“ drin sein soll. Oder die SPD, wo irgendetwas mit „sozial“ versprochen wird. Verkniff es mir aber. Sagte stattdessen: „Okay, ich habe Sie gewarnt. Aber bitte verstehen Sie, dass ich mich der Kundenphilosophie der Firma Knallefix nicht verpflichtet fühle, unter anderem deshalb, weil ICH ja der Kunde bin. Ich werde jetzt also aufstehen, meine Kaffeetasse nehmen und in die Küche gehen, um mich dort hinter der geöffneten Kühlschranktür in relative Sicherheit zu bringen. Ist das in Ordnung für Sie?“
    Es sei in Ordnung, bestätigte Petersen. „Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie soweit sind. Rufen Sie einfach. Ich trete auch zwei Schritte zurück, bevor ich das Päckchen öffne. Und, ach ja, wenn Sie vielleicht im Falle meines Ablebens Fräulein Hildrud Düsterhenn freundlicherweise benachrichtigen könnten? Sagen Sie ihr bitte, dass ich sie immer geliebt habe, auch wenn sie mich nicht geliebt hat und lieber mit diesem Walter Sorglos in die Falle gestiegen ist. Tun Sie das für mich?“ Ich versprach es hoch und heilig, bevor ich mich schleunigst in die Küche zurückzog.
     
     
    593
    Ich harrte hinter der Kühlschranktür der Dinge, die da kommen würden. Natürlich plagte mich ein schlechtes Gewissen. War es moralisch vertretbar, Herrn Petersen von der famosen Firma Knallefix einer Lebensgefahr auszusetzen? Ließ sich dies unter dem Überbegriff Berufsrisiko subsumieren, wie der Dichter sagt, so wie ein Rennfahrer damit rechnen muss, gegen eine Wand zu donnern, ein Steuersünder damit, dass sein Name auf eine Schweizer CD gerät, Frau von der Leyen damit, dass die FDP ihre Gesetze kippt und überhaupt jeder Politiker damit, dass man ihn für die von ihm angerührte Scheiße verantwortlich macht? Okay, letzteres konnte man streichen.
    So philosophierte ich eine Zeitlang vor mich hin und wartete auf den großen Knall vor meiner Wohnungstür. Der aber blieb aus. „Haben Sie das Päckchen schon geöffnet?“ rief ich. Stille. Hatte Herr Petersen Leine gezogen? Weil er schlicht Schiss gekriegt hatte – oder gar nicht Herr Petersen war, sondern Eduard Schick, der erkennen musste, in mir seinen Meister gefunden zu haben? „Hallo?“ rief ich nun – und es antwortete mir sofort „Moment bitte, Herr Idiotendetektiv. Ich hab gerade meine letzte Zigarette geraucht, mein Testament aufgesetzt und Fräulein Düsterhenn ein paar offene Zeilen geschrieben. Dass sie meinetwegen weiter mit diesem Schlumpf ins Bett gehen kann, aber sie soll immer an mich denken, wenn sie es mit ihm treibt.“ Ich nickte. Ein paar vorbereitende Maßnahmen fand ich ganz in Ordnung, schließlich wird man nicht jeden Tag von einer heimtückischen Bombe zerfetzt.
    „So“, meldete sich Petersen endlich, „ich wäre dann soweit. Wollen Sie wissen, welches Fabrikat sich in der Verpackung befinden soll?“ Ich wollte es nicht wissen. (Anmerkung der Herausgeber: Wer die Vorlieben des Autors kennt, mutmaßt nicht zu Unrecht, dass es sich um eine Digitalkamera der Firma Nikon handeln muss, auch wenn diese trotz mehrfacher Aufforderung nicht bereit war, für die Erwähnung ihres Namens einen geringen Obolus zu entrichten.) „Auch gut“, bestätigte Petersen, „ich öffne dann mal, ja?“
    Ich duckte mich hinter die Kühlschranktür und
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