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Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Titel: Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
Autoren: Wolfgang Burger
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dieser rutschige Teppich vom Format eines größeren Fußabtreters der Grund für den Tod der Frau? Bei der leeren Sektflasche, die Sönnchen erwähnt hatte, handelte es sich um eine Allerweltsmarke, die auch heute noch in jedem Supermarkt steht. Neben der Flasche lagen ein hohes, merkwürdigerweise ebenfalls nicht zerbrochenes Sektglas und ein welkes, dunkelrotes Rosensträußchen in einer bemerkenswert hässlichen Keramikvase. Auch, was auf den Fotos von der Einrichtung zu sehen war, entsprach nicht unbedingt dem, was man mit dem Wort »Filmschauspielerin« assoziierte.
    Der Arzt hatte den Todeszeitpunkt ohne technische Hilfsmittel und langwierige Untersuchungen natürlich nur grob bestimmen können: »9.11., zw. 21:00 u. 24:00 Uhr«, hatte er notiert. Er hatte weder Würgemale noch verdächtige Blutergüsse festgestellt, keine Anzeichen auf Vergiftung noch sonst irgendetwas, das man als Hinweis auf Fremdeinwirkung hätte werten können. Bei der Todesursache hatte er sein Kreuzchen bei »nicht natürlicher Tod« gemacht. Bei den sicheren Zeichen des Todes hatte er »Totenstarre« und »Totenflecke« markiert. Die Kreuze sahen aus, als wäre er in Eile gewesen.
    Die beiden Kollegen, die den Fall damals bearbeiteten, hatten in der Sache offenbar schon nach kurzer Zeit nur noch eine Routineangelegenheit gesehen. Wie Sönnchen schon am Telefon gesagt hatte: häuslicher Unfall mit Todesfolge, bei dem möglicherweise Alkohol eine Rolle gespielt hatte. Dennoch hatten die Kollegen ihren Job gründlich und gut erledigt. Im Umfeld der Toten hatten sie nichts Bemerkenswertes oder gar Verdächtiges gefunden. Sämtliche Fenster und die Balkontür waren unbeschädigt und ordentlich geschlossen gewesen. Im Schloss der Wohnungstür hatte der Schlüssel von innen gesteckt, ja, er war sogar zweimal umgedreht gewesen. Das Abus-Sicherheitsschloss ließ sich von außen nicht öffnen, las ich, wenn innen der Schlüssel steckte. An der Tür selbst waren auch unter der Lupe keine Kratzer zu entdecken, keine Druckstellen, nichts. Ein Foto dokumentierte diesen Sachverhalt.
    Vor allem aber hatten die Kollegen nichts entdeckt, was auf die Anwesenheit einer zweiten Person zum Zeitpunkt des Unfalls hätte schließen lassen. Auf dem Foto mit der Sektflasche war auch ein Brief zu sehen, der ebenfalls am Boden lag. Inmitten der Scherben, halb im Blut lag das dazugehörige, achtlos aufgerissene Kuvert. Der Brief war nur wenige Zeilen lang und auf dem Foto natürlich nicht zu entziffern. An der rechten oberen Ecke befand sich das geschwungene Signet einer Firma.
    Auf Seite zwei des Totenscheins hatte der Arzt als Todesursache »häuslicher Unfall« angekreuzt und handschriftlich, obwohl dafür gar kein Raum vorgesehen war, »Vermutl. Alkoholeinfl.« ergänzt. Darunter Datum, Unterschrift, Stempel. Ende eines viel zu kurzen Lebens voller unerfüllter Hoffnungen und vielleicht einer Enttäuschung zu viel. Beim Sterbedatum hatte der Arzt sich in seiner offensichtlichen Eile zunächst verschrieben, fiel mir auf, und anstelle der Neun eine Acht eingetragen, die Zahl später kräftig durchgestrichen und korrigiert.
    Enttäuscht klappte ich die Akte zu und warf sie in eine Ecke. Die Kopfschmerzen, die ich vom Lesen bekommen hatte, hätte ich mir ersparen können. Inzwischen war es früher Abend geworden, halb sechs, und die Zwillinge waren nicht zu Hause. Nach dem Essen waren sie gleich wieder verschwunden, und ich hatte vergessen, wohin und wann sie zurück sein wollten. Außerdem hatte ich Hunger, stellte ich fest, und beschloss, dies als gutes Zeichen zu werten. Morgen, spätestens am Donnerstag, würde ich wieder arbeiten können, und die Zeit der quälenden Langeweile würde hinter mir liegen.
    Ächzend erhob ich mich, schlüpfte in meine Hauslatschen, den Bademantel hatte ich ja noch an, schlurfte in die Küche. Die Gleichgewichtsstörungen waren eindeutig schwächer geworden.
    Nach einem einsamen Abendessen, das aus Körnerbrot, Supermarktwurst und Plastikkäse bestand, fühlte ich mich gesättigt, aber nicht weniger unzufrieden als zuvor. Die Zutaten, die ich im Kühlschrank gefunden hatte, hatten die Zwillinge beschafft. Ich überlegte, ob ich mir gegen den Frust schon ein Gläschen Rotwein gönnen durfte, entschied mich jedoch dagegen. Mich ärgerte, dass mein Gedächtnis immer noch Löcher hatte wie der angebliche Emmentaler Käse, den ich soeben vertilgt hatte. Dass ich immer wieder Dinge vergaß. Sogar Dinge, die nach meinem Unfall geschehen
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