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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite
Autoren: Frank Schätzing
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Hundertzwanzig äußerst amerikanische Kilo Eitelkeit mit Grenada‐Erfahrung, verliebt in Oper und Magie, triumphierten. Schwarzkopf hatte viele tote Iraker versprochen.
    Sehr viele. Blut genug, daß es reichte, um Vietnam abzuwaschen.
    Der Scharfschütze spähte in den Himmel.
    Dort, wo sie hinwollten, wurden schon lange keine Kämpfe mehr ausgefochten und Waffen nur noch in Anschlag gebracht, um Scharen gegnerischer Soldaten in Empfang zu nehmen, die mit weißen Fahnen und erhobenen Händen vor ihrem eigenen Oberbefehlshaber flohen. Der Krieg näherte sich einem absurden Ende. Eine geschlagene irakische Armee, zermürbt durch wochenlanges Bombardement, halb verhungert und verdurstet in ihren subterranen Wüstenbunkern, dem Wahnsinn näher als ihrem Propheten, küßte GIs die Hände. Demgegenüber Osten und Westen in seltener Eintracht, bis an die Zähne bewaffnet, unendlich überlegen. Und doch unfä hig, Saddams Höllenfeuer zu verhindern, das eine Katastrophe heraufbeschwor, in deren Schatten sich ein weitaus schlimmerer Konflikt ankündigte.
    Der Kampf ums ökologische Überleben.
    Neben dem Fahrer döste der Techniker vor sich hin. Von Zeit zu Zeit zuckten seine Gesichtszüge. Sein Mund stand halb offen. Der Scharfschütze wußte, daß die Käuflichkeit des Technikers mit diesem Krieg ihr Ende gefunden hatte. Er war nicht zum Söldner geboren. Ein Kopfabenteurer. Sein erster wirklicher Einsatz hatte häßliche Kratzer im glatten Gefüge der Mythen und Legenden hinterlassen, denen er gefolgt war. Irgendwann würde es ihn erwischen. Die Schwelbrände afrikanischer Territorialpolitik, das heraufdämmernde Ende Jugoslawiens, der fundamentalistische Terror Algeriens, das Gespenst der Zukunft. Überleben hieß, heimzukehren. Seine Tage in der Wüste waren gezählt, so oder so.
    Der Jeep quälte sich eine Anhöhe hinauf. Der Kopf des Technikers fiel zur Seite. Er öffnete die Augen und strich sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Dann setzte er sich aufrecht und fingerte nach einem Päckchen getrockneter Datteln. Er pulte die harten, runzligen Früchte nacheinander heraus, schob sie zwischen die Zähne und begann genußvoll darauf herumzubeißen.
    Der Fahrer sah kopfschüttelnd zu ihm herüber.
    »Wie kannst du bloß diesen Mist fressen?«
    »Es ist kein Mist«, sagte der Techniker kauend. Er nahm das Päckchen und hielt es dem Fahrer hin, der heftig das Gesicht verzog.
    »Gib mir eine«, rief der Scharfschütze.
    Das Päckchen wanderte nach hinten. Eine Zeitlang wurden Datteln verspeist, ohne daß ein Wort fiel. Sie redeten wenig miteinander. Die Wüste förderte keine längeren Konversationen.
    Schließlich waren die Datteln alle.
    »Ihr seid widerlich«, brummte der Fahrer. »Jeden Mist freßt ihr, jeden Dreck.«
    »Sie sind nahrhaft«, erwiderte der Techniker gleichmütig.
    »Bah! Ich träume jede Nacht von Lamm mit grünen Bohnen, und du hältst mir trockene Kamelscheiße unter die Nase. Haben wir noch was von der Schokolade?«
    »Ist geschmolzen.«
    »Quatsch! Du hast sie aufgefressen.«
    »Sie war geschmolzen, Herrgott noch mal! Kannst du mir irgendwas nennen, was bei der Hitze nicht schmilzt ? Mir ist schleierhaft, warum du diesen Affenaufstand machst. Gerade du! Warum probierst du nicht einfach, was die Leute im Ausland essen?«
    »Wenn du schon verreisen mußt«, fügte der Scharfschütze sarkastisch hinzu.
    »In Kuwait, ja?«
    »Und warum nicht?« Der Techniker leckte sich die Lippen. »Sie kochen phantastisch hier. Gebratenes Hühnerfleisch mit Nüssen und Rosinen. Gefüllte Taube hab ich gegessen, umwerfend! War Hirse drin, gewürzt wie Weihnachtsplätzchen, daß es dich schier überkommt! Pudding von Kokos und Honig. Kaffee aus kleinen Tassen hinterher, von dem du nur die Hälfte trinken darfst wegen dem Modder am Boden, aber dafür läßt du alles andere stehen.«
    »Ich nicht.«
    »Weil du zu blöde bist, es zu probieren.«
    »Mir hat einer erzählt, sie würden Kakerlaken grillen, so groß wie Portemonnaies. Und Skorpione.«
    »Tun sie nicht.«
    »Er war aber dabei.«
    »Dabei, dabei, jeder war immer irgendwo dabei.« Der Techniker machte eine wegwerfende Handbewegung. »Und wenn schon! Wo ist der Unterschied zu ... sagen wir mal, einem Hummer?«
    »Was? Wieso?«
    »Beide haben ein Exoskelett, acht Beine und einen segmentierten Schwanz, der lecker schmeckt.«
    »Du würdest also auch Skorpione fressen?«
    »Ich fresse nicht, damit gehtʹs nämlich schon mal los, mit deiner Ausdrucksweise,
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