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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition)
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Frauen einfach auf dem Markt zu verkaufen. Die Bedauernswerten wurden an einem Strick um den Hals zum Markt gezerrt und dort versteigert. Obwohl diese Praxis offiziell verboten war, wurde sie doch bis ins späte 19. Jahrhundert geduldet. Zu häufig starben aber die Frauen ohnehin früh im Kindbett, sodass der Mann auch einfach abwarten konnte.
    Während im Regency unter Georg IV. (der lange Zeit als Regent seinen erkrankten Vater Charles III. vertrat) und später unter seinem Bruder William IV. zumindest im Hochadel, bedingt durch die restriktive Ehepolitik, ein reges Mätressenwesen herrschte, verschärfte sich die moralische Haltung diesbezüglich zusehends spätestens mit der Thronbesteigung der prüden und kindlichen Victoria. Allerdings waren solche Tendenzen auch schon vorher auszumachen. Seit den frühen Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts begann man sich in die Häuser zurückzuziehen und bürgerliche Gemütlichkeit, gepaart mit kultureller Bildung, zu propagieren. Das Biedermeier brach an, das die Rolle des Mannes als unumschränkten Herrscher des Hauses noch betonte, während die Frau zum bloßen Ausstellungsstück degradiert wurde. Das schlug sich auch in der Mode nieder. Die mädchenhaft weiße, gleichzeitig sittsame wie verlockend freizügige Mode des Regency ( Nacktmode genannt, wegen der oft hauchdünnen Stoffe, die häufig auch noch mit Wasser an den Körper geklebt wurden) wurde nach und nach abgelöst durch sehr farbenfrohe, üppig verzierte Kleider aus Samt und Seide mit tiefen Ausschnitten (im Alltag bald ersetzt durch hochgeschlossene Krägen), schlanke, wieder tiefer geschnittene Taillen und eine insgesamt glockenförmige Silhouette durch eng geschnürte Mieder und Reifröcke (später kam die das Gesäß betonende Krinoline dazu). So wurden einerseits die Geschlechtsmerkmale übermäßig betont, während die Frau andererseits immer mehr »eingepackt« erschien. Unterhosen waren jedoch bei den Damen der Gesellschaft bis weit nach 1850 verpönt. Entweder man trug nur einen oder mehrere Unterröcke oder aber zusätzlich eine Art Unterhosenersatz, der aber – da es gesellschaftlich nicht erwünscht war, männliche Kleidung zu tragen – im Schritt offen blieb, ähnlich dem heutigen französischen slip ouvert . Für Männer der gehobenen Schichten gab es in dieser Zeit bereits richtige Unterhosen, während von der übrigen männlichen Bevölkerung sonst einfach nur das lange Hemd zwischen die Beine geschlagen wurde. Die Mieder der Damen waren bald so eng, dass der Atem abgeschnürt und die Organe aus ihren Positionen verdrängt wurden, was zu Missbildungen, Aborten und häufigen Ohnmachten führte (das änderte sich erst nach dem Ersten Weltkrieg – konform zum wachsenden politisch-sozialen Selbstverständnis der Frau). Gleichzeitig hatten sich Frauen bzw. Mädchen schon in jungen Jahren immer rigideren Moralvorstellungen zu unterwerfen, was aber längst nicht im gleichen Maße für die Männer galt. Das Herrscherpaar Victoria und Albert verstärkte diese gesellschaftlichen Tendenzen nicht unerheblich. Obwohl man konstatieren muss, dass die beiden eine liebevolle Ehe führten und Albert als kluger Mann gelten konnte, vertraten beide jedoch aus persönlichen Gründen sehr restriktive Vorstellungen von Anständigkeit und Moral, die bei Hofe und schließlich auch in der gesamten Gesellschaft als maßgeblich galten. Dies verstärkte sich noch nach Alberts zu frühem Tod, den Victoria nie verwinden konnte. Sie igelte sich in ihrer Trauer ein, kam ihren Pflichten über Jahrzehnte im Grunde nur noch unzureichend nach und hob bis zu ihrem eigenen Tod 1901 das Andenken ihres Gatten in nahezu religiöse Dimensionen. Ihre Weigerung, sich dem Tagesgeschehen zu widmen, führte zu erheblicher politischer Aufregung – Gladstone, der unter Victoria vier Mal das Amt des Premiers innehatte, hatte sehr darunter zu leiden.
    Im Zuge der neuen Bürgerlichkeit und von höchster Stelle eingeforderten übermäßigen Moral galt ein untadeliger Lebenswandel also als Voraussetzung für eine gesellschaftliche oder politische Karriere. Moralische Einwände gegen eine Person des öffentlichen Lebens bedeuteten hingegen das Aus. Als markantes Beispiel ist hier George Eliot, die victorianische Schriftstellerin schlechthin, zu nennen. Mary Ann Evans, wie sie mit richtigem Namen hieß, machte den entscheidenden Fehler, sich in einen verheirateten Mann zu verlieben und mit ihm zusammenzuleben. Das führte, obwohl ihre Literatur
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