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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition)
Autoren: Eva-Ruth Landys
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in den Städten, keineswegs abgebildet wurde. Der landbesitzende Adel war überdurchschnittlich stark vertreten. Dagegen wurde selbstverständlich aufbegehrt und es kam zu einer ersten wichtigen Reform durch die Whig-Regierung 1832, die aber keineswegs genügen konnte. Nun besaßen von vierundzwanzig Millionen Einwohnern knapp eine Million ein Wahlrecht, die Anzahl hatte sich damit in etwa verdoppelt (im Laufe der Jahrzehnte wurde das Wahlrecht sukzessive aber immer mehr ausgeweitet, bis schließlich alle daran teilhatten. Auch die Rechtssprechung wurde in einer »Politik der kleinen Schritte« gesellschaftsverträglicher gestaltet). Die Klasse der Arbeiter wurde aber viel zu lange überhaupt nicht repräsentiert, ein Wahlrecht für Frauen erst gar nicht in Betracht gezogen. Es kam zu Aufständen, Bewegungen wurden gegründet, wie die zunehmend durchaus gewaltbereite Chartistenbewegung, die berechtigt politische Teilnahme und eine gerechtere Gesetzgebung einforderte. Die Chartistenaufstände wurden aber äußerst brutal und mit vielen Toten niedergeschlagen (Birmingham und Manchester) und die mit Millionen Unterschriften eingereichten Petitionen der Arbeiter an das Parlament komplett ignoriert. In der Bevölkerung gärte es zusehends, nicht nur der politischen Ungerechtigkeit wegen, sondern auch weil die Brotpreise unerschwinglich wurden und gleichzeitig die Löhne sanken. Der Hunger war allgegenwärtig, die Kindersterblichkeit exorbitant, die Kriminalität stieg enorm an. Doch anstatt die Hauptursache des Hungers – die unmenschliche Not – oder die zunehmende Wirtschaftsmisere zu bekämpfen, beharrten die immer noch politisch mit viel zu viel Macht ausgestatteten grundbesitzenden Adeligen auf hohen Schutzzöllen und Einfuhrbeschränkungen, um den für sie wichtigen Kornpreis künstlich hochzuhalten. Gleichzeitig behinderten sie damit den freien Handel. Die einzige Reaktion auf die Zustände war eine extreme Verschärfung des Rechts, das sich vorwiegend gegen die arme Bevölkerung richtete und darauf bedacht war, den Besitz und die Interessen des Adels zu wahren. Hinrichtungen und Deportationen waren an der Tagesordnung und schon ein kleiner Diebstahl konnte einen an den Galgen bringen. Da rief Richard Cobden, ein sozial engagierter und auch kluger Unternehmer, 1839 in Manchester die Freihandelsbewegung ins Leben, um gegen die Missstände anzugehen, die sozialen Unruhen zu bekämpfen und gleichzeitig mehr wirtschaftliche Freiheit für die Unternehmer zu erlangen. Etliche Jahre mühte er sich vergeblich, doch immer mehr Befürworter – sogar auch aus dem Adel und von beiden politischen Parteien, den Whigs und den Tories – schlossen sich seinen Ideen an. Die Whigs bildeten bis 1856 mit den Tories die beiden konkurrierenden Gruppierungen im Unterhaus. Ursprünglich als Gegenpol zu den Rekatholisierungsversuchen Jakobs II. gegründet, verstanden sich die Whigs in ihrer Anfangszeit auch als Vertreter des Bürgertums, der Landbevölkerung und der liberalen demokratischen Ideen – im Gegensatz zu den sehr monarchietreuen Tories. Nach einer langen Phase der Regierungsmehrheit der Tories hatten die Whigs 1832 wieder die Mehrheit im Unterhaus erlangt, verloren sie aber kurz nach der Thronbesteigung Victorias wieder. Beide Gruppierungen hatten mit Lord Melbourne (Whigs) und Robert Peel (Tories) zu dieser Zeit fähige Führungsfiguren. Die Auseinandersetzung über die Freihandelsfrage wurde zur Zerreißprobe im Parlament. Die Gruppierungen zerstritten sich auch untereinander. Schließlich schlossen sich infolgedessen die Whigs mit gemäßigten Tories zur Liberal Party zusammen.
    1846 fielen die Schutzzölle dank Cobdens Bewegung endgültig und tatsächlich verbesserte sich dadurch die Lebenssituation der Arbeiter und Landbevölkerung in den folgenden zwei Jahrzehnten erheblich, wodurch der gesellschaftliche Druck erträglicher wurde. Die Bewegung der Chartisten versank in Bedeutungslosigkeit. Handel und Industrie schwangen sich hingegen zu neuer Blüte auf, was allerdings auch mit der weniger günstigen politischen Situation auf dem Kontinent zusammenhing. So konnte England seine Vormachtstellung weiter ausbauen, bis etwa 1870. Mit dem Aufstrebenden der Kontinentalmächte fiel auch der Beginn des exzessiven Kolonialismus zusammen. Heute gilt die Freihandelsbewegung, auch Manchesterkapitalismus genannt, in einer seltsamen Verkennung der historischen Realitäten jedoch als Geburtsstunde eines hemmungslosen Kapitalismus und
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