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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals
Autoren: Adalbert Stifter
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meinte man, die Wege, die er schon gegangen ist, mit Knochen bestreuen, um immer andere Gänge zu finden, und so auch den, der ihn herausführt.
    "Aber wenn ihm allenfalls das Licht ausginge?" bemerkte ein andrer. Es ist entsetzlich, dies zu denken, und furchtbar inhaltschwer wäre die Geschichte solcher Augenblicke. Das Licht flackert noch einmal und ist aus: eine Nacht, so dick, wie die Erde keine kennt, ist um ihn; die Toten, die ihm früher sein Licht gezeigt hatte, ist er nun genötiget, mit dem innern Auge zu schauen, und zwar, da ihm die Begrenzung seines Raumes, die ihm das Licht vorher so freundlich gewiesen hatte, durch die Finsternis entrückt ist, so muß er sich nun gleich das ganze Totengewölbe auf einmal vorstellen, die ganze durchbrochene Totenstadt mit all ihren Bewohnern - er horcht - vielleicht rührt sich heimlich etwas - alles stille, nur das Knistern seines Trittes und das dumpfe Rascheln seiner Hände, wie er sich an den Mauern fortgreift - er ruft, er ruft - keine Hoffnung, gehört zu werden; er geht in Todes- und Geisterangst gestachelt fort durch Gänge und Gewölbe, die sich ewig ineinander münden. Es sind bereits Stunden, es ist vielleicht schon ein Tag vergangen - er faßt, an der Felsenmauer fortgreifend, einen Toten, und erkennt, daß es derselbe sei, den er schon einmal ergriffen habe - dabei hört er von oben herab die Orgel tönen, vielleicht auch das Singen der Gemeinde oder das Läuten der Glocken, das Rasseln der lustigen Wägen auf dem Straßenpflaster - er ruft und ruft - alle gehen sie ihrer Wege, es wird stille, also Nacht - alle gehen sie ihrer Wege, - und des andern Tages hört er es wieder so - und so fort und so fort - bis in der Gruft um einen Toten mehr ist.
    Mir schauerte, als ich dies dachte, und unwillkürlich drängte ich mich an die Führer, mit leisem Frösteln mir den Einfall hinwerfend, "wenn nur diese sicher zu der schmalen hohen Türe zurückfinden, bei der sie uns hereingelassen hatten".
    "Wir sind jetzt unter der Post", sagte einer von ihnen und leuchtete im Gange weiter.
    Fast fing es mir an, in diesen massiven Kreuzgängen und Überwölbungen drückend zu werden - immer Mauer, eisenfeste Steinmauer, keine Fenster, keine Öffnung. - Wie schwer der Mensch jene leichte lichte Decke entbehrt, deren Köstlichkeit er in seinem Leichtsinne nicht beachtet, die Decke des Firmamentes! - Es schien mir, als entbehrte ich die Luft selber. -
    In dem Momente fiel ein blasser Streifen von oben herab, es war Tageslicht durch den Schacht vom Deutschen Hause - ich erkannte die Stangen und das Stroh, die Bretter und Tragbahren des ersten Gewölbes wieder - der Boden hob sich - der schmale Türflügel ging auf, und wir traten auf das vom Regen glänzende Steinpflaster des Stephansplatzes hinaus.
    Die Brust des stärksten Mannes hob sich freier in der frischen Luft; ein feiner Novemberregen rieselte von dem Himmel. Man zündete eben die Abendlichter an, Gold, Silber, schimmernde Seidenstoffe wurden davon in den strahlenden Kaufbuden beleuchtet - kostbar gekleidete Menschen wimmelten an mir vorüber; glänzende Karossen rollten; der Turm St. Stephans stieg riesig empor, und Sprechen und Lachen erscholl ihm gegenüber, den beleuchteten Häusern entlang.
    Ich aber ging wie im schweren Traume nach Hause, während an mir vorüberhuschte der Strom des unbegreiflichen Lebens der Menschen.
     
     
     

Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842
     
    Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten. Da ich die Sache recht schön auf dem Papiere durch eine Zeichnung und Rechnung darstellen kann, und da ich wußte, um soundso viel Uhr trete der Mond unter der Sonne weg und die Erde schneide ein Stück seines kegelförmigen Schattens ab, welches dann wegen des Fortschreitens des Mondes in seiner Bahn und wegen der Achsendrehung der Erde einen schwarzen Streifen über ihre Kugel ziehe, was man dann an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in der Art sieht, daß eine schwarze Scheibe in die Sonne zu rücken scheint, von ihr immer mehr und mehr wegnimmt, bis nur eine schmale Sichel übrigbleibt, und endlich auch die verschwindet - auf Erden wird es da immer finsterer und finsterer, bis wieder am andern Ende die Sonnensichel erscheint und wächst,
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