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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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sterben würden (mit 89), würden sie dennoch scheinbar ein Jahr länger als die nicht Untersuchten leben: fünf Jahre (Diagnose mit 84, Tod mit 89) gegenüber vier Jahren (Diagnose mit 86, Tod mit 90).
    6 Im Grunde muss nicht die Überlebenszeit gemessen werden. Man könnte auch messen, wie viele Menschen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (zwei, fünf, zehn oder siebeneinhalb Jahre) irgendeine andere Folge vermeiden (Tod, Herzinfarkt, Amputation oder Hüftfraktur). Ein Beispiel wäre die Vermeidung einer Amputation bei Diabetikern. Ich bin sicher, dass eine Gruppe von Diabetikern, bei denen die Diagnose früh erfolgt (nehmen wir an, der Grenzwert sei ein Blutzuckergehalt von über 126), innerhalb von fünf Jahren eine Amputation eher vermeiden kann als eine Gruppe von Diabetikern, bei denen die Diagnose später erfolgt (nehmen wir an, der Grenzwert liege über 140). Das bedeutet nicht, dass die frühe Diagnose auf jeden Fall jemandem genützt hat; es bedeutet nur, dass Menschen mit einer leichteren Krankheit eine größere Chance haben, ohne schwere Folgen zu überleben.
    7 Der andere Grund könnte sein, dass relative Risiken leichter zu verstehen sind. Die Menschen sind mit Formulierungen wie »ein Anstieg von 10 Prozent« oder »ein Rückgang um 30 Prozent« einfach vertrauter. Die absoluten Risiken sind schwerer zu erklären. Dafür brauchen wir mehr Zahlen (weil jedem relativen Risiko zwei absolute Risiken zugrunde liegen), und diese sind oft sehr klein (häufig werden Dezimalzahlen benötigt, oder es geht um Zahlen »pro tausend« oder »von zehntausend« Menschen). Zudem setzt eine vollständige Aussage einen Zeitrahmen voraus (zum Beispiel »pro Jahr« oder »im Laufe von zehn Jahren«).
    8 Wie Sie sich denken können, runde ich hier, um die Rechnung zu vereinfachen. Der Rückgang des relativen Risikos beträgt nach der Metaanalyse aller neun Studien durch die PSTF 16 Prozent. Siehe »Effectiveness of Mammography in Reducing Breast Cancer Mortality« unter www.ahrq.gov/clinic/3rduspstf/breastcancer/bcscrnsum1.htm#results.
    9 Auch hier habe ich gerundet. Die tatsächliche Schätzung der PSTF lautet: Wir müssen 1224 Frauen durchschnittlich 14 Jahre lang untersuchen, damit eine davon profitiert.
    10 P. C. Gøtzsche, O. Hartling, M. Nielsen et al., »Breast Screening: The Facts – or Maybe Not«, British Medical Journal 338 (2009): b86.
    11 J. G. Elmore, M. B. Barton, V. M. Moceri et al., »Ten-year Risk of False Positive Screening Mammograms and Clinical Breast Examinations«, New England Journal of Medicine 338 (1998): 1089–1096.
    12 Gestatten Sie mir, zuerst die Zahl zu erklären und dann ihre Quelle. Wie bereits erwähnt, kann man Karzinome, die durch eine Mammografie entdeckt werden, in drei Gruppen einteilen: 1. Krebs als Überdiagnose (ein Karzinom, das nie zu Symptomen oder zum Tod führen wird), 2. klinisch bedeutsamer Krebs, bei dem die Früherkennung die Prognose ändert (das ist der Lebenszeitgewinn) und 3. klinisch bedeutsamer Krebs, bei dem die Früherkennung die Prognose nicht ändert (die Patientin kann geheilt werden, unabhängig davon, ob der Krebs klinisch oder durch Screening entdeckt wird, oder die Patientin wird ohnehin an Krebs sterben, einerlei, ob er klinisch oder durch Screening entdeckt wird). Diese Zahl spiegelt die dritte Kategorie wider.
    Lassen Sie mich nun erläutern, woher die Zahl kommt. Sie ist schwerer zu schätzen, als sie sollte. Gedanklich handelt es sich nur um die Zahl der Krebsfälle, die durch Mammografie entdeckt wurden, nach Abzug der Zahl jener Frauen, deren Tod verhindert wurde (etwa eine von tausend), und der Zahl jener Frauen, die Opfer einer Überdiagnose wurden (2 bis 10 je tausend). Um das zu schätzen, beginne ich mit der Beobachtung, dass 60 Prozent der Brustkarzinome in den Vereinigten Staaten durch eine Mammografie entdeckt werden (siehe N. Breen, K. R. Yabroff und H. I. Meissner, »What Proportion of Breast Cancers Are Detected by Mammography in the United States?«, Cancer Detection and Prevention 31 (2007): 220–224. Aus den SEER-Daten geht hervor, dass das Risiko einer Fünfzigjährigen, in den nächsten zehn Jahren an Brustkrebs zu erkranken, bei 24 zu 1000 liegt. Daraus lässt sich schließen, dass etwa 14 von 1000 Karzinomen durch Mammografie entdeckt werden. Wenn wir davon die Zahl der Frauen abziehen, deren Tod verhindert wurde und die Opfer einer Überdiagnose wurden, kommen wir auf 3 bis 11 von 1000 Frauen, bei denen zwar die
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