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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Wünschen der Menschen nach einer, sei es auch chemisch bedingten, Veränderung zum Besseren aus moralischen Gründen die Berechtigungabzusprechen. Aus gesellschaftspolitischer Sicht muss man die Frage stellen, ob die Medizin und die Psychiatrie die geeigneten Institutionen sind, der Befriedigung dieses Bedürfnisses zur Verfügung zu stehen und zu Agenten der Lustregulation zu werden und darüber zu wachen, dass die Befriedigung in geordneten Bahnen medizinisch korrekt verläuft. In diesem Kontext ist eine Rückbesinnung auf die traditionelle psychologische und soziale Funktion von Genussmitteln und „Tonika“ gefordert, die den Gebrauch von „Glücksspendern“ der Eigenverantwortlichkeit überlässt.
    Wir fordern eine umfassende Bewusstseinsbildung auf der Basis von Selbstreflexion. In diesem Kontext ist insbesondere die Psychiatrie gefordert, die in der Interpretation des Depressionsphänomens eine Schlüsselrolle einnimmt. Es sollte möglich werden, dass die Identität der Psychiatrie sich wieder schärft und sich einer Diagnostik und Klassifikation bedient, die den Vorwurf vermeiden hilft, dass „normales Leiden“ zur Krankheit uminterpretiert wird und letztlich die Verbreitung der Diagnose „Depression“ dazu führt, dass dieser „krankhafte Zustand“ in statistischer Hinsicht zum Normalzustand wird. Dieser Entwicklung kann nur gegengesteuert werden, wenn die psychiatrische Diagnostik wieder mehr Trennschärfe gewinnt und wieder abgrenzen kann, welche Patienten tatsächlich unter einem Leidensdruck stehen, der ein eingreifendes therapeutisches Verfahren, sei es medikamentös oder durch den Einsatz anderer Mittel, rechtfertigt. Aus diesem Grund und um ein Verständnis für eine differenzierte Sicht zu vermitteln, waren wir bemüht, in unseren Falldarstellungen über Zustandsbilder zu berichten, die dem traditionellen diagnostischen Verständnis der Psychiatrie nach als „Kranke“, als „Patienten“ erscheinen und nicht als „Klienten“ oder „Konsumenten“, die erst durch die neue Terminologie und durch die neue Bereitschaft, jegliche starke Gemütsreaktion biologisch zu begründen und zu regulieren, dem erweiterten Spektrum der Depressionsdiagnostik zugeordnet werden.

Literatur
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