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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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deshalb, weil im Internet und in den Printmedien eine wahre Flut von Informationen über unerwünschte und gefährliche Auswirkungen des Einsatzes der Psychopharmaka und über die problematischen Praktiken der Pharmaindustrie zu finden ist, und Pharmafirmen in diesbezügliche Prozesse verwickelt sind, über die wieder in den Medien berichtet wird, ferner Bücher wie
Nebenwirkung Tod
auf dem Markt sind und nicht zuletzt die Pharmafirmen selbst auf ihren Produkten Warnhinweise aufbringen. Wem soll dann „der aufgeklärte Patient“ glauben?
Neue Vertrauensbildung in der Forschung
    In diesem Kontext kommt der Glaubwürdigkeit der Forschung besondere Bedeutung zu. Auch sie wurde durch die Geschehnisse, die die Prozac-Ära charakterisieren, entscheidend beschädigt. Es ist nicht zu bestreiten, dass die Beobachtungen schädlicher Nebenwirkungen der SSRI nicht, wie es früher üblich gewesen ist, zu intensiven Forschungsbemühungen geführt haben, um diese Probleme aufzuklären. Man hat aber den Eindruck, dass man sich vor allzu vertiefter Kenntnis gescheut hat. Auf jeden Fall wurde bekannt, dass wissenschaftliche Journale kritische Überlegungen oder Ergebnisse kritischer Forschung unterdrückt haben. Erst jetzt werden Untersuchungen zu spezifischen Auswirkungen des Langzeitgebrauchs durchgeführt. Auch diese Situation ist nicht gerade vertrauensfördernd. Eine gesunde Forschung ist aber wichtig für das Vertrauen in die Arzneimittel, die aufgrund dieser Art Auftragsforschung vermarktet werden. Die Forschung ist daher auch aufgerufen, sich darauf zu besinnen, dass der uneingeschränkte Zugriff, den heute industrielle Auftraggeber auf Daten und Ergebnisse der von ihnen in Auftrag gegebenen klinischen Untersuchungen beanspruchen, eine Novität im Verhältnis zwischen Auftraggebern und Ausführenden ist, die mit der Entwicklung des Pharmamarktes und der Gier nach Blockbustern zu tun hat und mit den Interessen der Forschung kollidiert. In dem Interessenkonflikt zwischen Industrie und Auftragsforschung ist ein Weg zu finden, der den Interessen der Forschung und der Patienten gilt. Dafür müsste die Position der akademischen Prüforgane und der Ethikkommissionen entsprechend gestärkt werden. Man müsste stärker als bisher darauf achten, dass sich in keinem der befassten Gremien Experten befinden, die in irgendeinem Naheverhältnis zu den Auftraggebern stehen.
Pharmaindustrie
    Wie die Pharmaindustrie dazu gebracht werden kann, das Wohl der Menschen, für die sie neue Arzneimittel entwickelt, höher zu bewerten als ihre Profite und die Dividenden ihrer Aktionäre, ist unklar.„Freiwillige Selbstkontrolle“, wie sie in anderen Aufgabenbereichen unserer Kultur üblich ist, wäre der vornehmste Weg. Eines ist aber klar: Aus den vielen Berichten über fragwürdige Werbe- und Beeinflussungsmethoden der Industrie könnte ein Problemkatalog erstellt werden, der als Grundlage von Richtlinien für die bestmögliche und ethisch akzeptable Praxis dienen könnte. Der wichtigste Baustein im Aufbau des Vertrauens ist aber wohl die Rückbesinnung und Beschränkung auf die ureigenste Funktion der Psychiatrie: die Behandlung psychisch und geistig schwer erkrankter Menschen.
Neu-/Umorientierung in der Behandlung
    Obwohl grundsätzlich daran festzuhalten ist, dass die medikamentöse Behandlung der schweren Depression eine unverzichtbare Therapiekomponente darstellt, weisen die Beobachtungen von schweren Nebenerscheinungen auch beim Einsatz der SSRI darauf hin, dass sie nur unter Beobachtung genauer Indikationsstellung zum Einsatz kommen sollten. Die Pharmakatherapie ist keineswegs die einzige Behandlungsmöglichkeit und schon gar nicht der Königsweg in der Behandlung der Zustandsbilder, die das Depressionskontinuum füllen. Bei schweren Depressionen – Melancholien – kann auf sie wohl nicht verzichtet werden, für alle anderen Spielarten der Depression haben sich Psychotherapie und manchmal auch alternative Methoden und die Veränderung der Lebensumstände als wirksam erwiesen. Selbst Peter Kramer, der lange Zeit als der vielleicht einflussreichste Propagator eines weitgehenden Einsatzes von SSRI galt, räumte ein, dass er bei leichten und mittelschweren Depressionen zuerst Psychotherapie versuche und nur, wenn er den Eindruck habe, dass die Psychotherapie einer Unterstützung bedarf, Medikamente verschreibe. Es
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