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Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)

Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)

Titel: Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Autoren: Monika Rohde
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Hier war sie einmal die abhängige Person. Ausgleichende Gerechtigkeit, wenn man an ihre Kinder dachte. Jonas und Sophie, beide inzwischen Ende zwanzig, hatten als Kinder und Teenager oft darunter leiden müssen.
    Dann hatte gestern S ophie angerufen. Sie wollte mit Jonas und Susanne, seiner Freundin, für zwei Wochen kommen. Auch sie liebten Südfrankreich und verbrachten in fast jedem Jahr ihren Urlaub, zumindest im Hochsommer hier. Für Reisen in andere Teile der Welt nahmen sie lieber andere Jahreszeiten. Der Sommer gehörte Frankreich. Wir sind schon richtige Franzosen mit unserem Hang zum Familienurlaub, dachte Lene. Sie genoss die Zeit mit ihren Kindern immer sehr, aber diesmal hatten ihre Pläne für die Ferien mit Mike im Vordergrund gestanden.
    Nun ja, Pläne sind dazu da, umgeworfen zu werden. Er kam, nur später – und sie würden das Beste daraus machen. Und bis dahin wü rde sie den Urlaub mit ihren Kindern genießen. Freute sich schon auf sie. Morgen würden sie schon da sein.
    Sie sah, dass die Labortechniker jetzt die Leiche in einem schwarzen Kunststoffsack aus dem Wohnwagen trugen und ging hinüber zu ihnen.
    » Darf ich sie noch einmal sehen?« fragte sie zu Renaud gewandt. Er nickte, gab den Männern ein Zeichen. Der Reißverschluss knarrte und gab dann Brigittes Gesicht frei.
    D as erste, was ihr auffiel, war ein Tuch, um den Hals der Toten geschlungen, eine Art leuchtend gelber Miniaturpareo, ein dünnes Häkelgebilde in der Form eines Dreiecktuchs, mit silbernen Pailletten bestickt, wie es in diesem Jahr besonders häufig, als notwendigste Bekleidung um die Taille geschlungen und an der Seite geknotet, getragen wurde. Hier war es jedoch eingedreht, um den Hals geknüpft, der Knoten schien hinten zu sein. Er war jetzt von ihrem Kopf verborgen. Brigittes Züge spiegelten den Todeskampf wider. Die Augen hatte jemand inzwischen geschlossen, das Gesicht mit der grässlich geschwollenen Zunge wirkte aufgequollen und war blaurot angelaufen. Ein schrecklicher Tod, dachte Lene, keine Luft mehr zu bekommen. Der eine Träger ihres weißen Shirts hing zerrissen herunter, eine Brust sah heraus, jung und fest. Gerade dieser Anblick machte Lene traurig, das Mitleid überfiel sie so plötzlich, dass sie es nicht mehr abwehren konnte. Sie schluckte. So jung.
    » Ist sie vergewaltigt worden?«
    Der Pathologe nick te.
    » Soweit ich an den Hämatomen sehen kann, ja. Aber Genaueres erst morgen. Ich mache mich gleich an die Arbeit.«
    Als er abgefahren war, winkte Renaud sie z u sich.
    » Wir müssen noch mit Frank, dem Nachbarn, sprechen und mit – wie hieß er noch? - Henri – alors , mit Henri. Ist er schon zurück?«
    Aber Lene hatte ihn noch nicht gesehen. De shalb holte sie erst einmal Frank, der mit Nicole hinter der Absperrung geduldig wartete. Nicole hatte vom Weinen rote Augen und zog ihre Nase hoch. Sie fiel Lene um den Hals.
    » Wer kann so etwas Schreckliches tun? Und Brigitte – das hat sie nicht verdient!«
    Niemand hat das verdient, dachte Lene. Aber Nicole hat ja Recht. Bei einer so dynamischen und zugleich mädchenhaften ju ngen Frau wirkte es irgendwie doppelt entsetzlich. Ungerecht gegenüber anderen Opfern, aber in unserem Denken so angelegt. Junge Mädchen verkörperten eben in der gesamten Mythologie die Unschuld, das Reine. Das, was behütet werden musste.  Und dies Bild haftete ihnen an, egal wie die Realität war. Die ich hier nicht einmal kenne, dachte Lene.
    Frank Mitterer sprach überhaupt kein Französisch und so übersetzte Lene, das, was er zu sagen hatte, ebenso wie die Fragen des Kommissars.
    » Ich bin aufgewacht gegen eins. Zehn vor eins auf meinem Wecker. Ich wusste aber erst nicht wovon. Hörte nur Brigittes Tür gehen, dann machte sie jemand mit einem Ruck zu. Ich fand das unverschämt. Oh, wenn ich doch nur gewusst hätte …«
    Frank s Augen füllten sich mit Wasser und Nicole reichte ihm stumm ein Papiertaschentuch, in das er sich umständlich schnäuzte.
    » Haben Sie irgendjemanden gesehen?«
    » Gesehen? Nein, ich lag doch im Bett und hab das nur gehört. Dann hab ich versucht wieder einzuschlafen. Aber ich hörte ständig lautes Wispern aus ihrem Caravan – so als ob sie trotz Erregung versuchten die Stimmen zu unterdrücken.«
    » War zu erkennen, ob es zwei Frauenstimmen waren oder ein Mann und Brigitte?«
    » Ich dachte, es sei ein Mann bei ihr. Aber hören konnte man das nicht. Einmal habe ich Brigittes Stimme laut Nein! sagen hören, und später Lass mich!
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