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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation
Autoren: Rainer Erler
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hielten sie mich für einen echten Magier – einen Medizinmann.
    ›Médico – si.‹ – eine Verwechslung. Ein Arzt hätte ihm sicher geholfen – ich habe ihn getötet.
    Ein Fieber vielleicht. Die fremden Bakterien einer fremden Welt. Jeder Atemzug von uns ist ein Pesthauch für ihn.
     
     
    Lichtjahre weit. Lichtjahrzehnte.
    Der nimmt seinen Weg durchs Universum, und nun hat er uns nichts zu sagen, schließt die Augen, liegt auf dem Boden einer Indiohütte und stirbt.
    Auf die Idee bin ich nicht gekommen, ihn runterzuschleppen zum Jeep und nach Nazca zu bringen – zu seinen Leuten, zu diesen ›Schiffen aus Licht‹.
    ›Entweder verehren wir sie wie Götter, oder wir bringen sie um.‹

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    Die Sonne geht auf, und ich sage den Indios: Der Mann ist tot – ›Muerto – el hombre esta muerto.‹ Als ob sie’s nicht selbst wüßten.
    Ich prelle die Wissenschaft um einen interessanten Kadaver. Ich weiß nicht, wie das Dorf heißt, und ich hob’ auch vergessen, wo es liegt.
    Er starb armselig wie jede Kreatur. Kein kosmischer Übermensch, kein Gigant. In der verkrampften linken Hand hielt er einen Ring – breit und glatt, weiß, vielleicht Silber. Talisman – Hoffnung und Wünsche – eine glückliche Rückkehr von einem barbarischen Planeten.
    Die Indios wickelten ihn in Decken, banden ihn auf eine Bahre laus Stangen die Weiber kreischten, die Männer lachten und sangen und tranken aus schmutzigen Flaschen. Der Tod war ohne Schrecken für sie, er war ein Gast, er war ein Geschenk. Sie trugen ihn hinaus vor das Dorf, neben dem trockenen Fluß begruben sie ihn. Dann steckten sie Eukalyptuszweige in die Erde und wanderten heim.
    Ich erinnere mich an eine große Müdigkeit. Ich legte mich in die Hütte, auf den Boden, dorthin, wo der andere gestorben war. Und die Indios ließen mich allein.
    Die Fahrt zurück nach Lima dauerte den restlichen Tag und die Nacht. Fünfhundert Kilometer, durch Wüsten, über die Berge, auf einer Straße hoch über dem Meer. Ich komme an, und es ist der 6. November.
    Für fünfhundert Soles, das sind etwa sechsundvierzig Mark, steckte mir ein Angestellter der Universität San Marcos die Adresse von Professor Estrella zu.
    Es folgten lange Verhandlungen. Schließlich bekam ich Besuchserlaubnis für eine Person – ohne Kamera, ohne Tongerät.
    Der Kameramann des peruanischen Fernsehens, der das Interview filmen sollte, blieb außerhalb des Gitters, filmte uns mit Teleobjektiven. Das Tonbandgerät lief, aber das Mikrofon lag zu weit entfernt neben dem Tor. Das Material wird nicht zu verwenden sein, aber das ist bereits gleichgültig. Irgendwo sang ein Chor. – Mönche in braunen Kutten beobachteten uns aus einem Fenster im ersten Stock, starrten uns an durch die Gitter.
    ›El Salvador‹ ist eine geschlossene Anstalt. Estrella wurde am 15. September dort eingeliefert. Auf Betreiben der Fakultät, wie er sagt.
    ›El Salvador‹ liegt sechshundert Meter über dem Meer. Eine klare, trockene Luft. Ein weiter Blick über die Stadt. Ganz fern ein glitzernder Streifen – das Meer. Aber die Mauern sind zu hoch.«

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    ›El Salvador‹ – wir suchten auf Karten – wir fuhren hinauf in die Berge. Wir fanden es nicht.
    Taxifahrer schüttelten den Kopf. Im Pathologischen Institut bedauerte man. Ein Sanatorium dieses Namens sei nicht bekannt.
    ›El Salvador‹ – der Erlöser.
    Kein Angestellter der Universität San Marcos war bereit, uns für fünfhundert Soles – inzwischen nur noch zweiundzwanzig Mark – das Geheimnis zu verraten, das Professor Estrella umgab. Auch nicht für tausend – man verstand uns einfach nicht.
    Wir fuhren zum staatlichen Fernsehen.
    Wer war der Kameramann, der für Roczinski gearbeitet hat? Wir fragten uns durch – wir fanden ihn wirklich. Er hieß Gianfranco Annichini, wohnte im Vorort Miraflores, La Paz 278 – 301, und hatte das Telefon 23 84 04. Und er war verreist.
    Er betreute eine amerikanische Filmproduktion oben in Cuzco. Dort war er Mädchen für alles. Manager, Dolmetscher, Regieassistent und Fotograf. Aber letzteres nur nebenbei. Wir flogen nach Cuzco. Fast alle Plätze der Maschine waren besetzt von alten Amerikanerinnen. Einige besaßen noch Männer. Cuzco muß man gesehen haben und Macchu Picchu, die letzten Bastionen der Inkas, als die Spanier das Land unten am Meer bereits annektiert hatten.
    Cuzco besitzt drei Sterne in jedem Reiseführer und lebt von Touristen. Cuzco liegt dreieinhalbtausend Meter hoch. Die Luft
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