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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Blinker anbeißen, der mitten in der Strömung gezogen wird, über einer Tiefe von zwanzig Klaftern.«
    Der Mann hob den Kopf, betrachtete sie mit widerwärtigem Ausdruck und begann, sehr, aber wirklich sehr knurrig zu knurren. Condwiramurs ließ die Zähnchen blitzen, sie war mit sich zufrieden. Der Flegel ruderte immer noch langsam. Er war wütend.
    Sie setzte sich auf der Bugbank in Positur und schlug ein Bein übers andere. So, dass unter dem Rock viel zu sehen war.
    Der Mann begann zu knurren, packte mit den schwieligen Händen die Ruder fester und tat so, als habe er nur Augen für die Schnur der Schleppangel. Das Rudertempo zu erhöhen, fielihm natürlich nicht ein. Die Adeptin seufzte resigniert und widmete sich der Betrachtung des Himmels.
    Die Dollen knarrten vor sich hin, Tröpfchen wie Brillanten fielen von den Ruderblättern.
    In dem sich rasch lichtenden Dunst erschien die Silhouette einer Insel. Und der über ihr aufragende dunkle, kantige Obelisk eines Turmes. Der Flegel, obwohl er mit dem Rücken dazu saß und sich nicht umschaute, merkte auf unbekannte Weise, dass sie schon fast am Ziel waren. Ohne Eile legte er die Ruder am Boot längs, stand auf, begann, langsam die Schnur auf die Haspel zu wickeln. Condwiramurs, noch immer mit übergeschlagenem Bein, pfiff vor sich hin und blickte gen Himmel.
    Der Mann hatte die Schnur vollends aufgewickelt, betrachtete den Blinker, einen großen Messinglöffel, der mit einem Dreifachhaken bewehrt war, an dem ein Schwänzchen aus roter Wolle hing.
    »Oh je«, sagte Condwiramurs lieb. »Es hat nichts angebissen, oi-oi, wie schade. Wie konnte das wohl passieren? Vielleicht ist das Boot zu schnell gefahren?«
    Der Mann bedachte sie mit einem Blick, der allerlei hässliche Dinge sprach. Er setzte sich, krächzte, spuckte über Bord, packte die Ruder mit den knotigen Pfoten, streckte kräftig den Rücken. Die Ruder platschten ins Wasser, polterten in den Dollen, das Boot schoss pfeilschnell über den See, das Wasser schäumte geräuschvoll am Bug, wirbelte hinterm Heck. Das Viertel einer Pfeilschussweite, das sie von der Insel trennte, legten sie in einer Zeit zurück, die nicht einmal für zweifaches Knurren reichte, und das Boot lief mit solchem Schwung auf den Kiesstrand auf, dass Condwiramurs von der Bank fiel.
    Der Mann begann zu knurren, zu krächzen und spuckte aus. Die Adeptin wusste, dass das in der Sprache zivilisierter Menschen hieß: Verschwinde aus meinem Boot, überschlaue Hexe. Sie wusste auch, dass sie nicht damit rechnen konnte, auf Händen getragen zu werden. Sie zog die Schuhe aus, hob den Rockprovozierend hoch und stieg aus. Sie verbiss sich einen Fluch, denn Muschelschalen stachen sie schmerzhaft in die Fußsohlen.
    »Danke«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »für die Überfahrt.«
    Ohne auf ein Knurren als Antwort zu warten und ohne einen Blick zurück ging sie barfuß auf die steinerne Treppe zu. Alle Misslichkeiten und Beschwernisse waren vorüber, waren spurlos verflogen, ausgewischt von der wachsenden Begeisterung. Da war sie also auf der Insel Inis Vitre, in dem See Loc Blest. An einem beinahe legendären Ort, wo nur wenige Auserwählte gewesen waren.
    Der Frühnebel hatte sich vollends gelichtet, durch den stumpfen Himmel begann immer stärker der rote Sonnenball durchzuscheinen. Um die Zinnen des Turms kreisten schreiende Möwen, Mauersegler huschten vorüber.
    Am oberen Ende der Treppe, die vom Vorplatz auf die Terrasse führte, an die Skulptur einer kauernden und die Zähne bleckenden Chimäre gelehnt, stand Nimue.
    Die Dame vom See.
     
    Sie war grazil gebaut und klein, maß kaum mehr als fünf Fuß. Condwiramurs hatte davon gehört, dass man sie in jungen Jahren »Däumelinchen« genannt hatte; jetzt sah sie, dass der Spitzname zutraf. Doch sie war sich sicher, dass seit mindestens einem halben Jahrhundert niemand gewagt hätte, die kleine Zauberin so zu nennen.
    »Ich bin Condwiramurs Tilly«, stellte sie sich mit einer Verbeugung vor, ein wenig linkisch, noch immer mit den Schuhen in der Hand. »Ich freue mich, dass ich auf deiner Insel zu Gast sein kann, Dame vom See.«
    »Nimue«, berichtigte die kleine Magierin leichthin. »Nimue, weiter nichts. Titel und Beiwörter können wir uns schenken, Fräulein Tilly.«
    »Dann bin ich Condwiramurs. Condwiramurs, weiter nichts.«
    »Also herein, Condwiramurs. Lass uns beim Frühstück miteinander sprechen. Ich errate, dass du hungrig bist.«
    »Ich streite es nicht
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