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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Zeit.«
    »Und sie endet nicht besonders gut.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Warum?«
    »Du hast gesungen, als du im See badetest.«
    »Du bist ein guter Beobachter.« Sie wandte den Kopf ab, presste die Lippen zusammen, und ihr Gesicht wurde plötzlich verkniffen und hässlich. »Ja, ein guter Beobachter. Aber sehr naiv.«
    »Erzähl mir deine Geschichte. Bitte.«
    »Tja«, seufzte sie. »Gut, wenn du willst   … Ich erzähle sie.«
    Sie setzte sich bequemer hin. Er tat es ihr gleich. Die Pferde gingen am Waldrand einher, zupften Gras und Kräuter.
    »Vom Anfang«, bat Galahad. »Ganz von Anfang an.«
    »Diese Geschichte«, sagte sie nach einer Weile, während sie das Piktenplaid fester um sich zog, »sieht mir immer mehr nach einer aus, die keinen Anfang hat. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie wirklich schon zu Ende ist. Denn du musst wissen, dass sich Vergangenheit und Zukunft schrecklich verflochten haben. Ein gewisser Elf hat mir sogar gesagt, dass das wie bei dieserSchlange ist, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Diese Schlange, dass du es weißt, heißt Uroboros. Und dass sie sich in den Schwanz beißt, bedeutet, dass der Kreis geschlossen ist. In jedem Augenblick der Zeit liegen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In jedem Augenblick liegt die Ewigkeit. Verstehst du?«
    »Nein.«
    »Macht nichts.«

 
    Wahrlich sage ich euch, wer an Träume glaubt, gleicht einem, der den Wind fangen oder einen Schatten ergreifen will. Er erliegt einem Trugbild, einem Zerrspiegel, welcher lügt oder dummes Zeug redet gleich einem Weibe bei der Geburt. Dumm ist fürwahr, wer Traumgespinsten Glauben schenkt und den Pfad der Täuschung beschreitet.
    Wer jedoch seine Träume gering achtet und ihnen nicht im Mindesten glaubt, der tut ebensolche Torheit. Denn wenn die Träume ja gar keine Bedeutung hätten, warum hätten dann die Götter, als sie uns erschufen, uns zum Träumen befähigt?
     
    Die Weisheiten des Propheten Majoran,
34,1
     
    All we see or seem
    Is but a dream within a dream
     
    Edgar Allan Poe

Das zweite Kapitel
    Ein leichter Wind kräuselte die wie ein Kessel dampfende Oberfläche des Sees, trieb Schwaden verwehten Nebels darüber hin. Die Dollen knarrten mit dumpfem, rhythmischem Schlag, die aus dem Wasser gehobenen Ruderblätter versprühten Schauer von glitzernden Tröpfchen.
    Condwiramurs hielt eine Hand über Bord. Das Boot fuhr in solchem Schneckentempo, dass das Wasser kaum aufgewühlt wurde und ihr nur minimal gegen die Handfläche drückte.
    »Ach, ach«, sagte sie und legte in die Stimme so viel Sarkasmus, wie sie nur aufbrachte. »Was für eine Geschwindigkeit! Wir schießen geradezu durch die Wellen. Ganz schwindlig kann einem werden!«
    Der Ruderer, ein untersetzter, kräftiger und strammer Mann, knurrte zur Antwort bloß zornig und unverständlich, ohne auch nur den Kopf zu heben, der von grauem und wie bei einem Karakulschaf lockigem Haar bedeckt war. Die Adeptin war das Knurren, Krächzen und Stöhnen schon herzlich leid, mit dem dieser Flegel ihre Fragen abtat, seit sie ins Boot gekommen war.
    »Vorsicht«, zischte sie, während sie mit Mühe die Ruhe bewahrte. »Bei diesem überhasteten Rudern kann man sich übernehmen.«
    Diesmal hob der Mann das Gesicht, das braungebrannt war,dunkel wie gegerbtes Leder. Er begann zu knurren, zu krächzen, deutete mit einer Bewegung des von grauen Stoppeln bedeckten Kinns auf die an der Bordwand befestigte hölzerne Haspel und die im Wasser verschwindende Schnur, die von der Bewegung des Bootes gespannt wurde. Offensichtlich überzeugt, dass die Erklärung erschöpfend war, begann er wieder zu rudern. Im selben Rhythmus wie zuvor. Ruder hoch. Pause. Ruder mit dem halben Blatt ins Wasser. Lange Pause. Ziehen. Noch längere Pause.
    »Aha«, sagte Condwiramurs ungezwungen, den Blick gen Himmel gerichtet. »Ich verstehe. Wichtig ist der vom Boot gezogene Blinker, der sich mit der richtigen Geschwindigkeit und in passender Tiefe bewegen muss. Wichtig ist der Fischfang. Der Rest ist unwichtig.«
    Das war so selbstverständlich, dass der Mann sich nicht einmal die Mühe machte, zu knurren oder zu krächzen.
    »Was kann es jemanden kümmern«, setzte Condwiramurs ihren Monolog fort, »dass ich schon die ganze Nacht unterwegs war? Dass ich Hunger habe? Dass mir von der harten und nassen Bank der Hintern wehtut und juckt? Dass ich pinkeln möchte? Nein, wichtig ist nur der Fischfang mit der Schleppangel. Der übrigens sinnlos ist. Nichts wird an einem
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