Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
kommt die Arbeit voran?«
    Meister Robin räusperte sich verlegen und verbeugte sich abermals, wobei er sich nervös die Hände am Kittel abwischte. Emhyr wusste, dass der Künstler an heftiger Platzangst litt und krankhaft schüchtern war. Doch wen störte das schon. Wichtig war, wie er malte.
    Wie üblich, wenn er auf Reisen war, trug der Kaiser eine Offiziersuniform der Gardebrigade »Impera« – einen schwarzen Harnisch und einen Mantel mit einer Stickerei, die einen silbernen Salamander darstellte. Er trat näher, schaute auf das Porträt. Erst auf das Porträt, erst dann auf das Modell. Das schmächtige Mädchen mit hellen Haaren und traurigem Blick. Gekleidet in ein weißes Kleid mit grünen Ärmeln, das kleine Dekolleté mit einer Kette von Chrysolithen geschmückt.
    »Ausgezeichnet«, sagte er absichtlich ins Leere, so dass unklar blieb, was er lobte. »Ausgezeichnet, Meister. Fahr bitte fort, ohne dich um meine Person zu kümmern. Auf ein Wort bitte, Gräfin.« Er ging zum Fenster und zwang sie so, ihm zu folgen.
    »Ich reise ab«, sagte er leise. »Staatsgeschäfte. Ich danke für die Gastfreundschaft. Und für sie. Für die Prinzessin. Eine wirklich gute Arbeit, Stella. Wirklich lobenswert. Sowohl du als auch sie.«
    Stella Congreve machte einen tiefen und graziösen Knicks. »Euer Kaiserliche Majestät sind zu gütig zu uns.«
    »Lobe den Tag nicht vor dem Abend.«
    »Ach   …« Sie presste leicht die Lippen zusammen. »So ist das?«
    »So ist das.«
    »Was wird mit ihr geschehen, Emhyr?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »In zehn Tagen gehe ich im Norden wieder in die Offensive. Und es sieht nach einem schweren, sehr schweren Krieg aus. Vattier de Rideaux ist gegen mich gerichteten Verschwörungen und Komplotten auf der Spur. Die Staatsräson kann mich zu verschiedenen, zu sehr verschiedenen Dingen zwingen.«
    »Dieses Kind trägt keine Schuld.«
    »Ich sagte: die Staatsräson. Die Staatsräson hat nichts gemein mit Gerechtigkeit. Übrigens   …« Er winkte ab. »Ich will mit ihr reden. Allein. Komm bitte näher, Prinzessin. Näher, näher, mach schon. Der Kaiser befiehlt es.«
    Das Mädchen machte einen tiefen Knicks. Emhyr musterte sie und dachte an jene folgenschwere Audienz in Loc Grim zurück. Er empfand tiefen Respekt, ja sogar Bewunderung für Stella Congreve, die im Laufe der sechs Monate, welche seit damals vergangen waren, aus dem hässlichen Entlein eine kleine Aristokratin gemacht hatte.
    »Lasst uns allein«, befahl er. »Mach eine Pause, Meister Robin, sagen wir, um die Pinsel auszuwaschen. Du aber, Gräfin, sei so freundlich und warte im Vorzimmer. Und du, Prinzessin, begleite mich bitte auf die Terrasse.«
    Der nasse Schnee, der nachts gefallen war, war in den ersten Strahlen der Morgensonne geschmolzen, doch die Turmdächer und Spitzen des Schlosses Darn Rowan waren noch immer nass und glänzten, dass sie zu brennen schienen.
    Emhyr trat an die Balustrade der Terrasse. Das Mädchen hielt sich gemäß der Etikette einen Schritt hinter ihm. Mit einer ungeduldigen Geste hieß er sie näher kommen.
    Lange schwieg der Kaiser, beide Hände auf die Balustrade gestützt, den Blick auf die Anhöhen gerichtet und auf die dort wachsenden immergrünen Eiben, die sich deutlich von dem Kalkweiß der Felshänge abhoben. Es blitzte der Fluss, der sich als Band von geschmolzenem Silber am Talgrund schlängelte.
    Frühling lag in der Luft.
    »Ich bin zu selten hier«, ließ sich Emhyr vernehmen. Das Mädchen schwieg.
    »Ich bin zu selten hier«, wiederholte er und wandte sich um. »Dabei ist das ein schöner und Ruhe verströmender Ort. Eine schöne Gegend   … Stimmst du mir zu?«
    »Ja, Euer Kaiserliche Majestät.«
    »In der Luft spürt man schon den Frühling. Habe ich recht?«
    »Ja, Euer Kaiserliche Majestät.«
    Von unten her, vom Hofe, war Gesang zu hören, teilweise übertönt von Klirren, Poltern und Hufeklappern. Die Eskorte, informiert, dass der Kaiser den Aufbruch befohlen hatte, machtesich eilends reisefertig. Emhyr erinnerte sich, dass es unter den Gardisten einen gab, der zu singen pflegte. Oft. Und unabhängig von den Umständen.
    Sollst mich mit gnädigen
    Blicken bedenken
    Mich mit mildtätigen
    Reizen beschenken
    Denke mildtätig mein
    zu nächtlicher Stunde
    lasse mich gnädig ein
    auf dass ich gesunde
     »Eine hübsche Ballade«, sagte er nachdenklich und berührte mit den Fingern die schwere goldene, kaiserliche Halskette.
    »Hübsch, Euer Kaiserliche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher