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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Geschmack anlangt; es geht alles sehr gesittet zu; viel Musik, spanische Melodien, Phantasien von der Erneuerung des ganzen Menschengeschlechtes, die Idee der ewigen Schönheit, die sixtinische Madonna, Licht mit stellenweiser Dunkelheit; aber auch die Sonne hat ja ihre Flecken! O meine Freundin, meine edle, treue Freundin! Mit meinem Herzen bin ich bei Ihnen und der Ihrige; mit Ihnen allein möchte ich immer zusammen sein
en tout pays,
und wäre es selbst
dans le pays de Makar et de ses veaux,
von dem wir (Sie werden sich erinnern) so oft mit Zittern und Zagen in Petersburg vor meiner Abreise gesprochen haben. Ich erinnere mich daran mit einem Lächeln. Nachdem ich die Grenze überschritten hatte, fühlte ich mich sicher, ein seltsames, neues Gefühl, zum erstenmal nach so langen Jahren ...« usw. usw.
    »Na, das ist lauter dummes Zeug!« sagte Warwara Petrowna, indem sie auch diesen Brief weglegte. »Wenn er bis zum Morgengrauen attische Nächte verlebt, dann kann er nicht zwölf Stunden täglich bei den Büchern sitzen. Ob er das in betrunkenem Zustande geschrieben hat? Wie kann diese Frau Dundasowa sich erdreisten, mich grüßen zu lassen? Übrigens, mag er meinetwegen ein bißchen bummeln ...«
    Der Ausdruck,
»dans le pays de Makar et de ses veaux«
bedeutete: »wohin Makar seine Kälber nicht getrieben hat«. 1 Stepan Trofimowitsch übersetzte manchmal absichtlich in der dümmsten Art und Weise echt russische Sprichwörter und Redensarten ins Französische, obwohl er sie ohne Zweifel richtig verstand und sie hätte besser übersetzen können; aber er tat das aus einer eigenartigen Geschmacksrichtung heraus und fand es geistreich.
    Aber sein Bummelleben dauerte nicht lange; er hielt es nicht vier Monate aus und eilte nach Skworeschniki zurück. Seine letzten Briefe bestanden nur aus Ergüssen der gefühlvollsten Liebe zu seiner abwesenden Freundin und waren buchstäblich von Tränen durchnäßt, die er über die Trennung vergossen hatte. Es gibt Naturen, die sich außerordentlich an das Haus gewöhnen, wie Stubenhunde. Das Wiedersehen der Freunde war entzückend. Nach zwei Tagen ging alles wieder im alten Gleise und sogar langweiliger als vorher. »Mein Freund,« sagte Stepan Trofimowitsch nach vierzehn Tagen zu mir unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses, »mein Freund, ich habe etwas Neues entdeckt, was für mich ganz schrecklich ist:
Je suis un
einfacher Parasit
et rien de plus! Mais r-r-rien de plus!
«
     
Fußnoten
     
    1 Eine Wüstenei, z.B. Sibirien.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     
VIII.
    Darauf trat bei uns eine stille Zeit ein, die beinah diese ganzen neun Jahre dauerte. Die Anfälle von krankhafter Traurigkeit, bei denen er an meiner Schulter schluchzte, setzten sich in regelmäßiger Wiederkehr fort, ohne uns in unserer Glückseligkeit zu stören. Ich wundere mich, daß Stepan Trofimowitsch in dieser Zeit nicht dick wurde. Nur seine Nase rötete sich ein wenig, und seine Sanftmut nahm noch zu. Allmählich bildete sich um ihn ein Verein von Freunden, der übrigens immer nur klein war. Warwara Petrowna kam mit unserem Vereine nur wenig in Berührung; aber dennoch erkannten wir sie alle als unsere Patronin an. Nach der schmerzlichen Lehre, die ihr in Petersburg zuteil geworden war, hatte sie sich endgültig in unserer Stadt niedergelassen; im Winter wohnte sie in ihrem Stadthause und im Sommer auf ihrem in der Nähe der Stadt gelegenen Gute. Noch nie hatte sie in der besseren Gesellschaft unserer Gouvernementsstadt so viel Bedeutung und Einfluß gehabt wie in den letzten sieben Jahren, das heißt bis zur Ernennung unseres jetzigen Gouverneurs. Unser früherer Gouverneur, der unvergeßliche, milde Iwan Osipowitsch, war ein naher Verwandter von ihr und hatte ehemals von ihr viele Wohltaten empfangen. Seine Gemahlin zitterte bei dem bloßen Gedanken, daß Warwara Petrowna ihr etwas übelnehmen könne; und die Verehrung, die die Gesellschaft der Gouvernementsstadt ihr erwies, hatte schon beinah etwas Sündhaftes. Eine Folge davon war, daß auch Stepan Trofimowitsch es gut hatte. Er war Mitglied des Klubs, verlor würdevoll im Kartenspiel und genoß die allgemeine Achtung, obgleich viele in ihm nur einen »Gelehrten« sahen. Als ihm im Laufe der Zeit Warwara Petrowna erlaubte, in einem andern Hause zu wohnen, fühlten wir uns noch ungenierter. Wir versammelten uns bei ihm zweimal in der Woche; es ging meist heiter her, namentlich wenn er den Champagner nicht sparte. Der Wein wurde im Laden des schon
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