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Die Büro-Alltags-Bibel

Die Büro-Alltags-Bibel

Titel: Die Büro-Alltags-Bibel
Autoren: Jochen Mai
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Lyriker
    Fängt ja gut an. Gerade war noch Wochenende, jetzt ist es Montag. 7 Uhr. Also eigentlich noch mitten in der Nacht. Nur der Wecker auf dem Nachttisch sieht das völlig anders. Der piept, plärrt und nervt – schon seit mindestens zehn gefühlten Minuten. Snoozen hilft da auch nicht weiter. Im Gegenteil: Eher ist es ein Indiz für die aktuelle Abeitslust beziehungsweise den Arbeitsfrust. Aber warum ist das so? Warum stehen manche Menschen bereits vor den ersten Sonnenstrahlen senkrecht im Bett, sind hellwach und erholt, joggen ihre üblichen zehn Kilometer noch vor der ersten Tasse Kaffee, während andere sich in einer Art Wachkoma befinden, bis der Triple-Espresso zu wirken beginnt?
    Mit einem Satz: Weil sie so geboren wurden. Mit der Schlafdauer hat das jedenfalls nichts zu tun. Im Durchschnitt liegt sie bei Erwachsenen zwischen sieben und acht Stunden. Weil aber nicht alle Menschen gleich viel Schlaf brauchen und sich die Bedarfsmenge mit steigendem Alter sowieso verändern kann, taugt diese Messgröße wenig. Entscheidender ist unser sogenannter Chronotyp. Sie und ich und alle anderen Menschen haben einen individuellen Biorhythmus – oder wie Chronobiologen es nennen würden: Sie sind entweder eine
Lerche
oder eine
Eule
. Auf diese trivial anmutende Unterscheidung sind nicht etwa Vogelkundler gekommen, sondern unter anderem der Vater der Schlafforschung, Nathaniel Kleitman. Den Entdecker der RE M-Schlafphasen ereilte bereits 1933 die Erkenntnis, dass die kognitive Leistungsfähigkeit eines Menschen im Laufe eines Tages erheblich differieren kann. Im statistischen Mittelmaß fällt das nicht weiter auf. Da erleben mehr oder weniger alle Menschen gegen 9 Uhr morgens einen Höhepunkt der Testosteronausschüttung und gegen 12 Uhr einen Bluteiweißschock. Verantwortlich dafür ist der
circadiane
Tagesrhythmus, den jeder Mensch hat. Bei genauerem Hinsehen aber eben nicht alle parallel. Es wäre auch eine beängstigende Vorstellung, wenn die Kollegen allesamt gleichzeitig mit dem 9-Uhr -Gong testosterongeschwängert am Schreibtisch säßen.

    Weil das Leben jedoch eher zu Extremen neigt als zu arithmetischen Mitteln, gibt es Chronotypen. Die kennen Sie vielleicht auch unter anderen Namen. Zum Beispiel den Frühaufsteher (Fachjargon
Lerche
). Der ist gleich nachdem er sich aus den Laken geschält hat topfit und kann – theoretisch – kurz darauf locker eine Stegreifrede halten oder ein dreigängiges Frühstücksmenü zubereiten. Warum es die meisten trotzdem bei Toast, Kaffee und einer höheren Seinsstufe belassen, ist allerdings noch unerforscht. Der Langschläfer (Fachjargon
Eule
) hingegen schafft es morgens nur mit größter Mühe aus der Horizontalen, kommt langsam auf Touren, hält dafür aber abends länger durch und beweist noch bis spät in die Nacht Präsenz. Sie schmunzeln vielleicht, wenn der Kollege im Morgenmeeting wegdöst oder am Schreibtisch kurz einnickt. Für die Betroffenen fühlt sich der Kraftakt jedoch an wie die Erstbesteigung des Mount Everest. Sie befinden sich morgens in einer Art Biojetlag und kämpfen gegen ihre Dauermüdigkeit und ihren natürlichen Rhythmus.
    Aus Studien, unter anderem vom Schlafforscher Frank Pillmann in Halle, weiß man heute, dass Frühaufsteher meist bessere schulische Leistungen aufweisen, während die Nachtschwärmer häufig neugieriger und offener für neue Impulse sind. Der Chronobiologe Achim Kramer von der Berliner Charité fand einmal heraus, dass die innere Uhr von Eulen und Lerchen um bis zu zwei Stunden zeitversetzt ist. Zudem wird offenbar schon im Mutterleib genetisch festgelegt, welcher Typ wir später sind. Ob Lerche oder Eule – es liegt einem sprichwörtlich im Blut, und man bleibt es ein Leben lang. »Ein Spättyp kann seine innere Uhr weder durch Lichttherapie noch durch die Gabe von Melatonin so umpolen, dass aus ihm plötzlich ein Morgenmensch wird«, sagte Kramer in einem
Spiegel - Interview
.
    Allerdings gibt es selbst im Organismus dieser Menschen innerhalb eines Tages noch erhebliche Schwankungen bezüglich Stoffwechsel, Organtätigkeit oder Konzentrationsfähigkeit. Damit variieren freilich auch ihre individuellen Leistungsphasen (siehe Abbildung). Obwohl das für die Produktivität alles andere als zuträglich ist, wird das im Arbeitsalltag kaum berücksichtigt. In vielen Unternehmen gibt es eine Kernarbeitszeit, die mehrheitlich die Frühaufsteher bevorteilt. Kein Wunder, dass so manches Betriebsklima darunterleidet. So sind
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