Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
sei gekommen, um weitere Strafen zu verhängen.
    »Ich bin froh, dass Sie und Ihre Söhne mich empfangen konnten, Frau Eriksen«, begann er, seine Kräfte zusammennehmend. »Ich habe ein paar wichtige Dinge zu sagen und will das der Reihe nach tun.«
    Er machte eine Pause und schielte zu den Jungen, die immer noch mit gesenktem Blick dasaßen. Sie schienen auf weiteres Ungemach gefasst zu sein.
    »Erst einmal«, fuhr er fort, »möchte ich Ihnen gratulieren, Frau Eriksen, dass Sie mit drei so begabten Söhnen gesegnet sind. Ich war ganz verzückt, ja, dieses Wort muss ich einfach verwenden, als ich ihr Modell des Gokstadschiffes gesehen habe.«
    Er verstummte und schielte erneut zu den Jungen hinüber, die erstaunt die Köpfe hoben und sich rasch und schüchtern anlächelten, dann aber unverzüglich wieder ernst wurden, aus Angst, ihre Mutter könnte sie sehen. Wie im Gebet senkten sie wieder die Köpfe.
    Ihre Mutter verzog noch immer keine Miene. Er war noch nie einem Menschen mit solcher Selbstbeherrschung begegnet. Er war nicht sicher, ob sie auf Angst oder Feindseligkeit zurückzuführen war.
    »Als Nächstes möchte ich Folgendes vorbringen«, fuhr er in der Gewissheit fort, bald die gespenstische Stimmung aufheben zu können, »und zwar die aufrichtige Entschuldigung der Firma Cambell Andersen dafür, dass unsere Angestellten die einzigartige Leistung der Jungen so schlecht belohnt haben. Ich kann Ihnen versichern, Frau Eriksen, dass die Geschichte einen glücklicheren und vor allen Dingen gerechteren Verlauf genommen hätte, hätten ich selbst oder mein Vater, die Besitzer der Firma, den fantastischen Schiffbau als Erste entdeckt. Dann hätte es eine Belohnung statt Prügel und Entlassung gegeben.«
    Jetzt erst reagierte die Witwe, allerdings umso deutlicher. Sie holte heftig Luft, und das nicht nur einmal, sondern
mehrere Male. Ihr schöner Busen hob und senkte sich, und Christian schämte sich der unvermeidlichen wie unpassenden Beobachtung.
    »Wissen Sie, Herr Cambell Andersen«, sagte sie gefasst, wenn auch immer noch schwer atmend, »dass keine anderen Worte mich hätten glücklicher machen können. Mehr kann ich nicht sagen.«
    Die drei Jungen saßen nicht mehr aneinandergedrängt und mit gesenkten Köpfen da. Sie streckten die Hälse und betrachteten den Gast forschend und erwartungsvoll. Christian Cambell Andersen war erleichtert, dass das Eis endlich gebrochen war, weil er jetzt sein eigentliches Anliegen vorbringen konnte.
    »Des Weiteren«, fuhr er fort und lächelte versuchsweise, »habe ich den Lohn der Jungen für die Zeitspanne, in der sie fälschlich entlassen waren, bei mir. Dazu kommt ein Angebot, zu dem Sie bitte Stellung nehmen wollen, Frau Eriksen. Es kommt von der Wohltätigkeitsloge in Bergen, der ich ebenfalls angehöre, die aber nichts mit der Firma zu tun hat. Der Vorstand der Guten Absicht , wie wir uns nennen, hat beschlossen, die Ausbildung der Jungen zu finanzieren, zuerst an der Kathedralschule in Bergen, dann an der Polytechnischen Schule für die höhere Ausbildung von Knaben in Kristiania und schließlich zum Ingenieur an der Universität Dresden in Deutschland. Das ist die derzeit beste Universität für Ingenieure.«
    Die drei Jungen auf der Wandbank sahen ihn ungefähr so überrascht an, wie er es erwartet hatte. Aber ihre Mutter ließ mit keiner Miene erkennen, was sie dachte. Er verstummte und wartete ihre Antwort ab. Es verging eine ganze Weile, und er fragte sich schon, ob er ihr wohl zu viel auf
einmal zumutete. Vielleicht erfasste sie gar nicht, welch großzügigen Vorschlag er ihr unterbreitet hatte?
    Die Witwe nickte vor sich hin, als müsse sie sich erst noch ihre Worte zurechtlegen. Schließlich holte sie tief Luft und sprach mit fester Stimme, ohne zu stocken, allerdings in einem breiten Dialekt, den er nur mit Mühe verstand.
    »Der Pfarrer hat dasselbe gesagt wie Sie, Herr Andersen, dass die Jungen keine Fischer werden sollten. Deswegen sind sie nach Bergen gezogen, um die große Welt kennenzulernen. Aber ich weiß es jetzt und habe es schon damals gewusst, dass uns diese Schulen die Kinder wegnehmen. Wer solchen Unterricht erhält, kehrt nicht zurück. Nie. Ich habe zum Pastor Nein gesagt. Und jetzt sage ich auch Nein. Weil ich drei kleine Männer brauche anstelle des einen großen Mannes, den ich einmal hier auf dem Hof hatte. Des Mannes, den das Meer uns genommen hat.«
    Christian Cambell Andersen war im ersten Moment so verdutzt, dass er nicht wusste, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher