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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie
Autoren: Cody Mcfadyn
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Vorschlag eine Überlegung wert ist. Schlimmer noch – zumindest für Sie – wäre folgende Möglichkeit: Es ist vorstellbar, dass ich die Wahrheit sage und Elaina freilasse, aber nur im Austausch gegen das Vergnügen, Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie sich weiter verstümmeln, nicht wahr? Insbesondere, wenn ich dieses hübsche kleine Ding hier als Schutzschild bei mir behalte.«
    Ich habe nach wie vor nicht geantwortet. Die Unruhe hat sich in Übelkeit verwandelt, und in meinem Magen brodelt es. Er hat nicht Unrecht. Ich sollte darüber nachdenken.
    Hillstead hat ein furchtbares Angebot gemacht, doch es wäre erträglich. Wie bei jedem Spiel, könnte ich verlieren, aber der Preis, wenn ich gewinne … Ist er es wert, die Würfel fallen zu lassen?
    Wahrscheinlich, ja.
    Nein, nein, nein!, schreit der Drache. Zerschmettere ihn! Töte ihn!
    Halt den Mund, sage ich.
    Die andere Stimme schweigt weiterhin. Sie ist da, wartet ab, schweigt. Schweigt und wartet.
    »Ist das ein Angebot, Peter?«, frage ich.
    »Selbstverständlich ist es das! Zwischen dem Polster und der Armlehne Ihres Sessels finden Sie ein Messer.«
    Ich lege die Pistole in meinen Schoß, taste mit den Fingern in den Spalt zwischen Polster und Lehne. Ich kann es spüren. Kalter Stahl. Ich taste weiter, bis ich den Griff gefunden habe, und ziehe es hervor.
    »Sehen Sie es sich an.«
    Ich tue es. Es ist ein Jagdmesser. Geschaffen, um Fleisch zu zerschneiden.
    »Narben«, murmelt Hillstead. »Erinnerungen … wie Jahresringe an einem Baum. Markierungen, die zeigen, wie die Zeit vergeht.« Er schielt mit einem Auge hinter Bonnies Kopf hervor und fixiert mich. Ich sehe, wie das Auge sich bewegt, kann beinahe seine Berührung auf meinem Gesicht spüren. Wie weiche Hände, die über meine Narben streicheln. Fast liebevoll, wie ich bemerke. »Ich möchte Ihnen mein Zeichen aufprägen, mein Abberline. Ich möchte, dass Sie mich sehen, wenn Sie in den Spiegel blicken. Für immer.«
    »Und wenn ich es tue?«
    »Dann dürfen Sie dieses Messer benutzen, um Elaina von ihren Fesseln zu befreien. Was auch sonst geschehen mag, sie darf gehen. Sie darf das Haus lebend verlassen.«
    Elaina versucht durch ihren Knebel zu reden. Ich sehe sie an. Sie schüttelt den Kopf. Nein!, sagen ihre Augen. Nein, nein, nein …
    Ich betrachte das Messer. Denke an mein Gesicht, an die Landkarte aus Schmerz, zu der es geworden ist. Es erinnert mich an den Verlust von allem. Das ist es, woran mich meine Narben erinnern. Vielleicht wird die Narbe, die er jetzt will, eine Erinnerung daran sein, Elaina gerettet zu haben. Vielleicht wird es nur eine weitere Narbe. Vielleicht werden wir aber auch alle hier sterben, und ich werde mit einer unverheilten Wunde begraben.
    Vielleicht sollte ich die Pistole nehmen und sie mir an den Kopf setzen. Den Abzug durchdrücken. Würde meine Hand dann zittern? Wenn ich mich selbst erschieße?
    Die Welt dreht sich, Bonnie wird zu Alexa, Alexa wird zu Bonnie, und in meinem Kopf tosen Ozeane. Ich bin zugleich voll innerem Frieden und voller namenlosem Grauen.
    Ich verliere den Verstand, das ist es. Kein Zweifel.
    Ich wende mich von Elaina ab.
    »Wo?«, frage ich Hillstead.
    Das spionierende Auge hinter Bonnie weitet sich. Ich sehe, wie sich die Haut ringsum zusammenzieht. Er grinst.
    »Eine einfache Bitte, meine liebe Smoky. Wir nehmen die Seite, auf der noch keine Narben sind. Für mich sind Sie auf der einen Seite die Schöne, auf der anderen Seite das Biest. Also nehmen wir die linke Seite. Ein einzelner Schnitt, beginnend unter dem Auge bis hinunter zu Ihrem wunderschönen Mund. Zum Mundwinkel.«
    »Und wenn ich es tue, lassen Sie mich Elaina losschneiden?«
    »Das habe ich gesagt.« Er zuckt die Schultern. »Ich könnte natürlich lügen.«
    Ich zögere, dann nehme ich das Messer hoch. Es stand nie in Frage – warum also zögern?
    Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen, kichert das Irre in mir. Schneid dir jetzt die Fresse auf, und wir legen gratis einen Easy-Bake Backofen dazu. Ganz ohne Extrakosten!
    Ich presse die Spitze der Klinge unter mein linkes Auge, spüre die Kälte des Stahls. Eigenartig, denke ich. Nichts fühlt sich so kalt, so gefühllos an wie ein Messer, dessen Klinge deine Haut berührt. Ein Messer ist der ultimative Soldat. Es befolgt jeden Befehl, und es ist ihm vollkommen egal, wo es angesetzt wird, solange es schneiden darf.
    »Ich möchte, dass Sie einen tiefen Schnitt machen«, sagt Hillstead. »Ich will den Knochen
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