Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
warf eine Hand vors Gesicht und stotterte etwas. Er stürmte durch das Lokal, drängte sich mit der Sicherheit eines Schlafwandlers an den Tischen vorbei und verschwand draußen im Regen.
    Kerwin merkte, daß alle ihn anstarrten; es gelang ihm aber, dem Blick des Kellners so lange standzuhalten, bis dieser davonschlich. Er setzte sich wieder und hob die Tasse zum Mund; sie enthielt das, was man dort als Kaffee bezeichnete – ein coffeinhaltiges Getränk, das fast wie bittere Schokolade schmeckte; jetzt war es kalt.
    Der rothaarige Darkovaner war noch dageblieben. Er stand auf, kam zu Kerwin herüber und setzte sich auf den leeren Stuhl neben ihm.
    „Wer sind Sie eigentlich?“
    Er sprach, wenn auch schlecht, den Jargon der Raumhafenleute und suchte nach jedem einzelnen Wort. Kerwin setzte vorsichtig die Tasse ab.
    „Der bösäugige Flegel, ein Gott des Altertums“, antwortete er, „Ich spüre jedes Jahrtausend meines Alters. Verschwinde, oder ich verhexe dich, genauso wie deinen Kameraden.“
    Der Rotkopf lachte. Es war ein freudloses, spöttisches Grinsen. Er stand etwa in Kerwins Alter. „Er ist nicht mein Freund“, erklärte er, „aber du bist auch nicht, was du zu sein scheinst. Du warst im ganzen Lokal am meisten überrascht von allen, als er so auf dich losging. Er dachte, du seiest einer meiner Verwandten.“
    „Stammte deine Mutter aus Irland?“ fragte Kerwin hö flich. „Nein? Danke! Ich stamme von einer langen Generationenreihe Eidechsenmenschen vom Arcturus ab.“ Er hob die Tasse und trank. Er spürte den verwirrten Blick des Rotschopfes; dann wandte der Mann sich ab und murmelte „Terraner“. in einem Ton, der das Wort zu einer tödlichen Beleidigung werden ließ.
    Kerwin bedauerte, so unhö flich gewesen zu sein, aber nun war es zu spät; am liebsten wäre er hinter ihm dreingelaufen und hätte ihn um eine Erklärung gebeten. Nur die Gewißheit, eine neue Zurechtweisung zu erhalten, bewahrte ihn davor. Im Innersten erschrocken, legte er einige Münzen auf den Tisch und ging wieder in den eisigen Graupelregen hinaus.
    Die Sterne waren verschwunden. Es war finster und kalt. Der Wind heulte. Kerwin fror in seinem dünnen Hemd. Warum hatte er sich nur nichts Warmes zum Anziehen gekauft? – Aber er hatte doch… Der Mantel sah vielleicht ein wenig eigenartig aus, aber schließlich war er warm; vor dem eisigen Wind würde er ihn schützen. Mit steifen Fingern knotete er das Paket auf und nahm den pelzgefütterten Mantel heraus. Mit einem Achselzucken warf er ihn um die Schultern und zog ihn eng um seinen Körper.
    Er war warm und angenehm. Das weiche, geschmeidige Leder hielt den Wind ab. Fast zärtlich schmiegte sich der Pelz an ihn. Die hell erleuchtete Halle des Sky-Harbor-Hotels erinnerte ihn daran, daß er sich noch nicht beim Hauptquartier gemeldet hatte und ihm noch kein Quartier zugewiesen war. Er brauchte ein Zimmer, in dem er schlafen konnte. Halb entschlossen, nach einer Übernachtungsgelegenheit zu fragen, ging er quer durch die Halle zum Pult des Empfangschefs.
    Der war gerade mit den täglichen Anmeldungen beschäftigt und warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu. „Hier durch“, sagte er nur kurz und vertiefte sich wieder in seine Bücher.
    Erstaunt fragte sich Kerwin, ob das Büro seiner Organisation schon im voraus Hotelzimmer bestellt hatte, wollte eigentlich widersprechen, ging aber dann mit einem Achselzucken durch die bezeichnete Tür.
    Er befand sich in einem großen Raum; die Mitte nahm ein langer Tisch ein; da und dort standen lange, eigenartig geformte Sofas und Polsterbänke; am gegenüberliegenden Ende des Zimmers brannte ein heiles Kaminfeuer. Eine Wand wurde von einem riesigen Fenster eingenommen; die schwarze Nacht draußen machte es zum Spiegel, und Kerwin sah sich selbst: einen großen Mann mit rotem Haar, entstellt von der Nässe draußen, mit einem einsamen, in sich gekehrten Gesicht, dem Gesicht eines Abenteurers, den aus irgendeinem Grund das Glück verlassen hatte. Der hohe, gestickte Kragen des Darkovaner Mantels schloß sich um seinen Hals; das hatte er vergessen. Der Blick auf sein eigenes Gesicht über dem fremdartigen Mantel ließ ihn erstarren; eine seltsame Woge überspülte ihn; war es – Erinnerung?
    Das mochte die Antwort sein. Der Empfangschef hatte ihn in diesem Darkovaner-Mantel für einen anderen gehalten. Wirklich, das konnte einiges erklären. Er mußte in der Handelsstadt einen Doppelgänger haben, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher