Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
heißen, daß deine Mutter Darkovanerin war?“ fragte Ellers.
    „Nicht unbedingt. Mein Vater könnte ihn gefunden oder gekauft haben.“ Kerwin ließ ihn in die Tasche gleiten.
    „Er stellt ein kleines Vermögen dar“, erklärte Ragan. „Geben Sie gut auf ihn acht. Vielleicht hat Ihr Vater deshalb absichtlich im Waisenhaus nie davon gesprochen; vielleicht fürchtete er, man könnte Ihnen den Kristall wegnehmen, wenn man wüßte, wie wertvoll er ist. Das Hauptquartier würde wahrscheinlich eine ganze Menge dafür geben, wenigstens einen solchen in die Hand zu bekommen.“
    Kerwin berührte den Kristall in seiner Tasche. So überzeugt zu sein, daß dieser Kristall seiner Mutter gehört haben mußte, daß er vielleicht ein Schlüssel zu verborgenen und geheimnisvollen Erinnerungen sein könnte, kam ihm nun fast kindisch vor. Er bemerkte Ragans Blick und lächelte verlegen, rief nach dem Darkovaner Mädchen und ließ frischen Wein bringen.
    „Natürlich“, meinte er schließlich voll ironischer Bitterkeit, „hoffte ich immer, er sei das Amulett, das mich als den lange verloren geglaubten Sohn eines hohen Herrn von Darkover ausweise. Und jetzt sind all meine Illusionen zerstört.“
    Er hob das Weinglas an die Lippen. Im gleichen Augenblick sah er das Glas, dessen Stiel Ragan geschmolzen hatte. War er vielleicht betrunkener, als er dachte?
    Das Glas stand unbeschädigt und aufrecht auf seinem schlanken Stiel; nichts war daran zu sehen, das irgendwie ungewöhnlich gewesen wäre.
    [2]
    Drei Runden später entschuldigte sich Ragan, er habe einen Auftrag beim Hauptquartier zu erledigen und müsse erst einen Bericht abgeben, bevor er bezahlt werden könne. Als er gegangen war, warf Kerwin seinem Kameraden, der ihm eine Runde nach der anderen aufgedrängt hatte, einen finsteren, ungeduldigen Blick zu. So hatte er seine erste Nacht auf dem Planeten, dessen Bild er so lange im Herzen getragen hatte, eigentlich nicht verbringen wollen. Er wußte zwar selbst nicht genau, was er wollte, aber er hatte bestimmt nicht vor, die ganze Nacht über in einer Raumhafenbar zu sitzen und sich zu betrinken.
    „Schau mal, Ellers…“
    Die Antwort war ein zartes Schnarchen. Ellers, völlig hinüber, war in seinem Stuhl zusammengesunken.
Das dicke Darkovaner-Mädchen kam, um nachzuschenken – Kerwin wußte nicht, zum wievielten Male – und sah Ellers mit einer berufsmäßigen Mischung aus Enttäuschung und Resignation an. Als sie sich über das Glas beugte, um es aufzufüllen, drängte sie sich geschickt an Kerwin. Ihr loses Kleid war am Hals offen und gab tiefe Einblicke frei. Ein süßer Duft nach Weihrauch hing in ihren Kleidern und Haaren. Einen Augenblick lang war er sich dessen bewußt, aber dann sah er ihre harten, oberflächlichen Augen; ihre Stimme klang heiser, als sie ihm ins Ohr summte: „Gefällt dir, was du siehst, großer Mann?“
    Sie sprach Terra-Standardsprache, nicht die musikalische Sprache ihrer eigenen Welt.
    „Du magst Lomie, großer Mann? Du kommst mit mir? Ich hübsch und warm, verstehst du?“
    Kerwin hatte einen unangenehmen, schalen Geschmack im Mund, und das kam nicht vom vielen Wein. Ob Terranerin oder Darkovanerin – die Mädchen in den Raumhafenbars waren doch alle gleich.
    „Du kommst? Du kommst?“
    Ohne sich recht darüber klarzuwerden, was er tat, klammerte sich Kerwin an die Kante des schweren Tisches und zog sich in die Höhe; hinter ihm flog die Bank krachend um. Wie ein Riese stand er vor ihr, starrte durch das trübe, vom Rauch verdüsterte Licht, und seine Lippen formten Worte in einer längst vergessenen Sprache.
    „Hebe dich weg von mir, du Tochter einer Bergziege, und bedecke deine Scham, statt bei Männern einer Welt zu liegen, die deine Welt verachten!“
    Das Mädchen rang nach Luft, trat einen Schritt zurück, zog mit zitternden Händen ihr Kleid am Ausschnitt zusammen und verbeugte sich fast bis zum Boden. Sie schluckte, feuchtete die Lippen an und flüsterte „Z’servu shaya“, schluchzte plötzlich, wirbelte herum und rannte davon. Das Schluchzen und der leichte Moschusgeruch des Haares hingen noch einen Lidschlag lang in der Luft und verschwammen dann.
    Kerwin schwankte und klammerte sich an den Tisch. Gott, wie betrunken ich bin! Und was, zum Teufel, habe ich da gerade gefaselt?
    Er fürchtete sich vor sich selbst. Was hatte er getan, daß er das Mädchen halb zu Tode erschreckte? Er war gewiß nicht tugendhafter als andere; welcher Rest von Puritanertum hieß ihn, so grob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher